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Kurzbeschreibung

Beim Forschenden Lernen handelt es sich um eine Lernform, die im wesentlichen am Ablauf eines Forschungsvorhabens ausgerichtet ist und darauf abzielt, Studierenden den Forschungsprozess näher zu bringen. Diese Lernform zeichnet sich durch ein "neugieriges, problemorientiertes und kritisches Denken, durch autonomes und kreatives Arbeiten sowie durch gedankliches Nachvollziehen eines Forschungsprozesses und unmittelbare Teilnahme an Forschungsvorhaben" (Multrus, 2012, 53) aus. Die Lernenden entwickeln auf Basis ihres Vorwissens eine Fragestellung, wählen und reflektieren die Methoden der Datengewinnung und stellen die Ergebnisse dar. Forschendes Lernen findet in der Regel in Gruppen statt und verlangt den Studierenden ab, innerhalb eines gegebenen Zeitrahmens eine reflektierte Aussage zu einem bestimmten Thema zu treffen. Die oder der Lehrende leitet und unterstützt den Lernprozess, indem sie/er gemeinsam mit den Studierenden u. a. deren Forschungsvorhaben reflektiert und Verbesserungsvorschläge gibt. 

Veranstaltungsformate

Übungen
Seminare
Online-Seminare

Beim Forschenden Lernen handelt es sich um eine Lernform, bei welcher Studierende selbstständig forschen. Vom Forschenden Lernen abzugrenzen ist das forschungsbasierte und forschungsorientierte Lernen. Die drei Formen unterscheiden sich in ihren Lernzielen sowie in ihrem Partizipationsgrad. Forschungsbasiertes Lernen soll Studierenden die Möglichkeit geben, "den Weg zu verfolgen, wie aus einer Frage Forschung geworden ist" (Huber, 2014, 24). Forschungsorientiertes Lernen umfasst die hinreichende Darstellung des Forschungsprozesses. Forschungsorientiertes Lernen soll Studierende zum Forschen hinführen. In Bezug auf das Forschende Lernen hat sich in Deutschland die Arbeitsdefinition von Huber (2009, 11) etablieren können: "Forschendes Lernen zeichnet sich vor anderen Lernformen dadurch aus, dass die Lernenden den Prozess eines Forschungsvorhabens, das auf die Gewinnung von auch für Dritte interessanten Erkenntnissen gerichtet ist, in seinen wesentlichen Phasen – von der Entwicklung der Fragen und Hypothesen über die Wahl und Ausführung der Methoden bis zur Prüfung und Darstellung der Ergebnisse in selbstständiger Arbeit oder in aktiver Mitarbeit in einem übergreifenden Projekt – (mit)gestalten, erfahren und reflektieren." Diese Form des Lernens soll Studierenden folglich (1) den Prozess und die einzelnen Handlungsschritte des Forschungsablaufs näher bringen. Dabei wird (2) auf die Selbstständigkeit von Studierenden gesetzt. Sie lernen indem sie den Forschungsprozess von der Recherche über die Konzeption des Erhebungsinstruments bis hin zur Durchführung und Auswertung der Untersuchung eigenständig gestalten. Damit sollen Selbstlernprozesse und selbstorganisiertes Lernen bei Studierenden initiiert werden (Mieg, 2017). Lehrende unterstützen Studierende in diesem Prozess, indem sie einerseits Unterstützung auf sozialer Ebene (u. a. Gruppenbildung, Aufgabenverteilung) und andererseits auf fachlicher Ebene (Reflexion des Forschungsvorhabens) geben.

Beim Forschenden Lernen bietet es sich beim Ablauf der Lehrveranstaltung an, sich an den einzelnen Schritten des Forschungsprozesses zu orientieren, die sich wie folgt gestalten (Brosius, Haas, & Koschel, 2016):

  1. Finden einer wissenschaftlichen Fragestellung
  2. Fundierung der Fragestellung durch eine geeignete Theorie
  3. Definition zentraler Begriffe
  4. ggf. Hypothesenbildung
  5. Konzeption der Untersuchung: Wahl der Methode, Wahl der Messung, Wahl der Untersuchungsanlage
  6. Datenerhebung
  7. Datenauswertung
  8. Ergebnisdarstellung

Sofern die einzelnen Arbeitsschritte zeitlich nicht innerhalb einer Lehrveranstaltung bearbeitet werden können, wäre ein Ansatz verschiedene Module innerhalb eines Studiengangs miteinander zu verknüpfen, welche die einzelnen Phasen des Forschungsprozesses herausgreifen. Möglich wäre etwa sich in einem Semester mit dem Finden einer Fragestellung, den theoretischen und methodischen Grundlagen zu beschäftigen und im darauffolgenden Semester mit der Datenerhebung, Auswertung sowie Ergebnisdarstellung. Eine weitere Möglichkeit wäre die Einbindung von Studierenden in ein größeres Forschungsprojekt eines Fachs. Dabei bearbeitet jede Gruppe einen bestimmten Teilaspekt des Forschungsprojekts. Die Studierenden sollten bei diesem Verfahren die Möglichkeit haben, den Zusammenhang des Projekts zu begreifen.

Welche Methoden gibt es?

Kurzbeschreibung

Brainstorming kann im Forschungsprozess zur Ideenfindung beitragen. Beim Brainstormen werden zunächst alle Ideen aufgenommen und nicht bewertet. Durch die Methode kann außerdem Vorwissen aktiviert werden.

Mit einer Mind-Map können Studierende ihre Gedanken frei entfalten und visuell darstellen. Beim Forschenden Lernen eignet sich Mind-Mapping etwa zur Ideengenerieung oder zur Systematisierung von Gedanken.

Studierende verfassen einen Blog, beispielsweise über die einzelnen Schritte im Forschungsprozess oder mögliche Probelme im Forschungsprozess (Beispiel: aktueller Stand, Probleme und Herausforderungen, Bewältigungsstrategien etc.).

Beim Forschenden Lernen können Studierende mit einem Forschungstagebuch ihre Beobachtungen, Überlegungen und Gedanken festhalten. Ein Forschungstagebuch kann eine Mischung aus Tagebuch und Notizbuch sein.

Ein Reflexionsbuch kann Lernenden beim Forschen helfen, den eigenen Lernprozess zu reflektieren, indem sie beispielsweise prüfen, ob sie zentrale Begriffe/Modelle/Konstrukte, verstanden haben. 

In einem Diskussions-/Methodenforum können sich Studierende beispielsweise über Vor- und Nachteile einer Methode austauschen.  

Mittels eines Wikis ist es möglich, kollaborativ in einem Kurs Texte zu erstellen und zu bearbeiten. Bei dieser Form haben alle Personen Zugriff auf das Wiki. Beim Forschenden Lernen können Kursteilnehmende etwa verschiedene Studien zu einem Thema vorstellen, Ergebnisse eines Laborversuchs dokumentieren sowie Fragen und Unklarheiten in einem Kommentarfeld notieren und gemeinsam lösen. Zudem ist es möglich persönliche Wikis und Gruppenwikis anzulegen. Persönliche Wikis können beispielsweise als Reflexionsbücher eingesetzt werden. Gruppenwikis können eingesetzt werden, um online Brainstorminprozesse anzuregen und Arbeitsprozesse darzulegen (Laborberichte, Studiensteckbriefe etc.).

Im Kontext des Forschenden Lernens können Studierende wissenschaftliche Postcasts erstellen, in welchen sie beispielsweise über Theorien oder Methoden berichten. Diese werden den anderen Studierenden beispielsweise über Moodle zur Verfügung gestellt. Ein Podcast sollte nicht länger als 5 Minuten dauern und ein Drehbuch besitzen.

Beim Peer-Feedback begegnen sich Studierende auf Augenhöhe, denn sie geben sich gegenseitig Feedback auf ihre Studienleistungen. Beim Peer-Feedback sollte auf eine angenehme Atmosphäre geachtet werden. 

"Forschendes Lernen treibt die Idee der Bildung durch Wissenschaft voran, indem das Lernpotenzial von Forschen bzw. selber Forschen ausgelotet wird."

Mieg, 2017

Beispiele

Studierende  des Studienschwerpunktes Produktionsmanagement und Logistik der Studiengänge Betriebswirtschaftslehre (B.A.), Betriebswirtschaftslehre mit Doppelabschluss (B.A.) und International Business Administration (B.A.) haben im Sommersemester 2019 ein Praxisfall-Projekt zum Thema Optimierung von logistischen Abläufen durchgeführt. Dieses Projekt wurde in Kooperation mit der MEKUWA (Metall-Kunststoff-Walldorf) GmbH bearbeitet. Hochschule und Unternehmen haben vor Beginn des Praxisfall-Projekts im Verlaufe mehrerer Abstimmungstermine den Projektablauf sowie die Aufgaben- und Problemstellung formuliert. Angeleitet und fachlich koordiniert wurde dieses Projekt durch Frau Prof. Dr. Kerstin Wegener (Fb3, Wirtschaft und Recht), mit Unterstützung ihrer Wissenschaftlichen Mitarbeiterin Nadija Hossini (Fb3, Wirtschaft und Recht; Koordination Praxisfallprojekte). Zentrales und gemeinsames Ziel dieses Projekts war die Analyse von Geschäftsprozessen in der Produktion und Lagerung der MEKUWA GmbH und das Ableiten von Optimierungspotenzialen.

Das Praxisfall-Projekt startete mit einem gemeinsam mit der MEKUWA durchgeführten Kick-Off. In 12 Wochen bearbeiteten die Studierenden in mehreren Teams und Arbeitsgruppen mittels wissenschaftlicher Methoden die Aufgabenstellungen. Zur strukturierten Arbeit trug die Anwendung von Projektmanagementmethoden wesentlich bei. Durch die Studierenden selbst gewählte Projektleiter*innen leiteten die Teams an, erstatteten Bericht und in Projektboards erfolgte eine kontinuierliche Abstimmung zwischen den Teams, den Dozentinnen und mit dem Kooperationspartner. Eine Protokollierung der Tätigkeiten und Aufgaben sowie deren Status erfolgte durch Protokollantinnen und Protokollanten. Tutoren und Tutorinnen unterstützten die Teams dabei als Mentoren.  

Der erste Meilenstein des Projekts erforderte die Formulierung einer Erhebungsstrategie zur Operationalisierung der Problemstellung im Unternehmen. In diesem Kontext sollten die Studierenden u. a. überlegen, ob ein qualitatives oder quantitatives Forschungsdesign bzw. eine Mischform im Rahmen der Fragestellung sinnvoll ist. Außerdem sollten sie ergründen, welche Art von Analyse (SWOT, Branchenstrukturanalyse, etc.) geeignet ist. In diesem Zuge haben die Studierenden eine umfangreiche Sekundärforschung zu Themen wie Produktions- und Lagerlogistik sowie Digitalisierung und Warenwirtschaftssysteme durchgeführt. Aufbauend auf den Erkenntnissen wurde die Erhebungsstrategie entwickelt,  gleichzeitig dienten die Befunde als Grundlage des Projektberichts. Nach der Finalisierung des Erhebungsinstruments haben die Studierenden mittels einer zweitägigen Erhebung auf dem Gelände des Praxispartners Messungen, Beobachtungen und Interviews mit fachlichen Experten aus dem Unternehmen durchgeführt. Die Daten wurden anschließend ausgewertet. Auf diese Weise konnten der Ist-Zustand analysiert und Handlungsempfehlungen für die Optimierung der Geschäftsprozesse abgeleitet werden. Die Ergebnisse wurden dem Praxispartner MEKUWA GmbH im Rahmen einer Abschlusspräsentation durch die  Studierenden vorgestellt. Außerdem wurden sie in Form eines Projektberichts festgehalten.

Im Kontext eines Seminars zum Thema Medienforschung mit Kindern konnten aus zeitlichen Gründen lediglich die ersten sechs Schritte des Forschungsprozesses erprobt werden. Zunächst sollten die Studierenden (2./3. Semester) in Kleingruppen (max. 5 Personen) nach qualitativen und quantitativen Studien zum Themenfeld Kinder und YouTube recherchieren. Die Ergebnisse wurden in Form von Studiensteckbriefen (Erkenntnisinteresse, Stichprobe, Erhebungszeitraum, Methode, Ergebnisse) in Wikis auf Moodle notiert. Aufbauend auf dem Wissen wurden Forschungslücken identifiziert und in Gruppenarbeit wurde eine Fragestellung formuliert. Bei der Formulierung der Fragestellung unterstützte die Dozierende die Studierenden, indem zunächst gemeinsam ein digitales Arbeitsblatt mit Hinweisen zum Formulieren von wissenschaftlichen Fragestellungen bearbeitet wurde. Anschließend sollte die wissenschaftliche Fragestellung durch geeignete Theorie*n untermauert werden. Beim Finden von Theorien sollten die Studierenden zunächst in den Kleingruppen brainstormen, welche Theorien sie kennen. Zudem wurde auf Moodle Literatur durch die Dozierende zur Verfügung gestellt, die ebenfalls Hinweise zu gängigen Theorien in der Medienpädagogik enthielt. Nachdem die Studierenden sich diese erarbeitet hatten, wurde die Fragestellung sowie das theoretische Fundament im Plenum vorgestellt. Mittels eines Peer-Feedbacks wurde den einzelnen Gruppen eine Rückmeldung gegeben. Der Schwerpunkt des Feedbacks lag auf der Plausibilität und Genauigkeit der Fragestellung, Eignung der Theorie und der Umsetzbarkeit des Forschungsvorhabens. Ergänzend zum Peer-Feedback gab die Dozierende eine Rückmeldung mit Ideen und Verbesserungsvorschlägen. Anschließend wurde das Peer-Feedback eingearbeitet und die Studierenden sollten in Einzelarbeit als Hausaufgabe über zwei Wochen einen ersten Entwurf der Einleitung und des theoretischen Fundaments verfassen. Das Dokument wurde in Moodle über das Tool Aufgabe hochgeladen. Diejenigen, welche die Aufgabe eingereicht hatten, haben ein Feedback mittels der Kommentarfunktion im Aufgabenbereich durch die Dozierende erhalten. Parallel dazu erfolgte ein Einstieg in den methodischen Part des Seminars. In diesem wurde - aufbauend auf den theoretischen Überlegungen - die Untersuchung konzipiert. Die Dozierende hat den Studierenden Literatur zu den Themenbereichen Besonderheiten, Zugänge sowie Herausforderungen bei der Forschung mit Kindern als Grundlage zur Verfügung gestellt. Zur Erarbeitung der Themenbereiche mussten die Studierenden zwei digitale Arbeitsblätter mit Leitfragen zu den einzelnen Bereichen bearbeiten. Im Plenum wurde anschließend u. a. diskutiert, welches Forschungsdesign (qualitativ vs. quantitativ) und welche Methoden sich bei der Forschung mit Kindern eignen und an welche Grenzen man bei der Forschung mit Heranwachsenden stoßen kann. Zusätzlich stand den Studierenden ein Methodenforum auf Moodle zur Verfügung, in welchem methodische Fragen ausgetauscht werden konnten. In Kleingruppen wurden die Überlegungen dann auf die Projekte übertragen: Aufbauend auf den theoretischen Überlegungen wurden zunächst Kategorien für einen Leitfaden entwickelt. Anschließend wurden diese durch die Dozierende gefeedbackt, um dann spezifische Fragen zu den einzelnen Kategorien zu formulieren. Das finale Erhebungsinstrument wurden zum Abschluss des Seminars in Form von Präsentationen durch ein bis zwei Gruppenmitglieder vorgestellt. In der Hausarbeit zum Modul sollten die einzelnen Forschungsschritte schriftlich dargelegt werden und es musste im Bearbeitungszeitraum ein Interview mit einem Kind durchgeführt werden. Die Reflexion des Interviews sowie des Erhebungsinstruments war ebenfalls Bestandteil der Hausarbeit. Aus zeitlichen Gründen konnten die Daten nicht ausgewertet werden.

Quellen

Brosius, H.-B., Haas, A., & Koschel, F. (2016). Methoden der empirischen Kommunikationsforschung. Eine Einführung. Wiesbaden: Springer.

Huber. L. (2009). Warum Forschendes Lernen nötig und möglich ist. In L. Huber, J. Hellmer, & F. Schneider (Hrsg.), Forschendes Lernen im Studium.Wie die Lehre an Universität und Fachhochschule erneuert werden kann (9-35). Bielefeld: UniversitätsVerlagWebler.

Huber. L. (2014). Forschungsbasiertes, Forschungsorientiertes, Forschendes Lernen: Alles dasselbe? Ein Plädoyer für eine Verständigung über Begriffe und Unterscheidungen im Feld forschungsnahen Lehrens und Lernens. HSW, 1+2, 22-29.

Mieg, H. A. (2017). Einleitung: Forschendes Lernen – erste Bilanz. In H. A. Mieg & J. Lehmann (Hrsg.), Forschendes Lernen. Wie die Lehre in Universität und Fachhochschule erneuert werden kann (15-31)Frankfurt/New York: Campus.

Multrus, F. (2012). Forschung und Praxis im Studium. Befunde aus Studierendensurvey und Studienqualitätsmonitor. Bonn: Bundesministerium für Bildung und Forschung. 

 

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Zentrale WebredaktionID: 6350
letzte Änderung: 31.05.2021