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„Das Strategiepapier wird von den Gremien getragen und wir Studierende können widersprechen. Wir können uns darauf beziehen, wenn etwas Falsches behauptet wird.“

Sascha Hippert, Nils Bauer

ZIELE IM FOKUS

Alles ist wichtig

Über Lieferketten und stromsparende Algorithmen

Herr Bauer, Sie studieren Informatik im 5. Semester und Sie, Herr Hippert, BWL im 6. Semester.

Was ist für Sie Nachhaltigkeit, Herr Hippert?
Hippert: Das ist ein sehr großer Begriff, der oft missinterpretiert wird. Er bedeutet für mich, dass wir unsere Welt in einem besseren Zustand verlassen, als wir sie vorgefunden haben. Dabei geht es nicht nur um Ökologie und Umwelt, sondern auch um Personalmanagement. Denn die Verschlechterung der äußeren Lebensumstände betrifft Menschen direkt. In ärmeren Ländern gibt es zum Beispiel mehr Arbeitslosigkeit, und diese bestimmt die Situation von Menschen. Unternehmen können Leitlinien vorgeben, die die Mitarbeiter motivieren, auch im privaten Bereich nachhaltig zu handeln.

Herr Bauer, und was ist Nachhaltigkeit für Sie?
Bauer: Eine Aufgabe so zu lösen, dass auf Dauer ein besseres Ergebnis für alle Bereiche erreicht wird. Ein Problem nicht schnell und einfach zu lösen, sondern dauerhaft. Also eine gute Lösung zu finden. So gesehen lohnt Nachhaltigkeit immer.

Die Hochschule hat sich eine Nachhaltigkeitsstrategie gegeben. Ist dieses Faktum wichtig für Sie?
Bauer: Ja, die Strategie umfasst viele wichtige Punkte. Einen zentralen habe ich eingebracht: Wir monitoren den Umgang mit dem Thema und die Veränderungen, die wir auslösen, auf einem Dashboard, so dass wir sehen, wo wir in der Verwirklichung der Strategie stehen.

Wie sind Sie in den Prozess, die Nachhaltigkeitsstrategie mit zu erarbeiten, eingebunden worden?
Bauer: Ich hatte an der Hochschule die Gruppe Students for Future mitgegründet. Wir sind etwa 20 Personen. Jemand aus der Gruppe bekam mit, dass die Strategie entwickelt wird, und so wurde der Kontakt hergestellt.

Hippert: 2018 hatte ich, angeregt durch die Stadt Frankfurt als Fairtrade Town, im Studentenparlament und gegenüber der Hochschulleitung vorgeschlagen, die Hochschule zur Fair Trade University zu entwickeln. Unsere Vizepräsidentin, Frau Prof. Dr. Klärle, war ja mit dem Bekenntnis zur Nachhaltigkeit angetreten, fand die Idee gut, und so bin ich auch in die Gruppe für die Nachhaltigkeitsstrategie gekommen. Zuvor hatte ich mich schon als Asta-Vorsitzender für die Mülltrennung an der Hochschule, umweltfreundliches Kopierpapier und die Digitalisierung eingesetzt.

Was ist für Sie, Herr Hippert, an der Nachhaltigkeitsstrategie der Hochschule wichtig?
Hippert: Alles ist wichtig. Aber ganz besonders wichtig ist, dass wir uns Nachhaltigkeit nicht nur auf die Fahne schreiben, sondern dass wir sie in der Lehre vermitteln.

Wie lernen Sie Nachhaltigkeit im Fach BWL?
Hippert: Zum Beispiel wenn wir uns mit Wertschöpfungs- und Lieferketten befassen. Im Supply-Chain-Management ist nicht der Billigste der Beste, sondern die Nachhaltigkeit bestimmt die Qualität der Kette. In der Pandemie kollabierten die Lieferketten. Sie waren nicht nachhaltig. Wichtig ist auch ein gutes Arbeitsklima ohne Diskriminierung und Mobbing, damit die Fluktuation gering ist. Auch das ist Nachhaltigkeit.

Herr Bauer, wie lernen Sie Nachhaltigkeit in der Lehre?
Bauer: In der Informatik ist da noch Luft nach oben. Aber wir haben schon verschiedene Algorithmen diskutiert und nach deren Nachhaltigkeit gefragt. Wenn ich zum Beispiel Codes schreibe, dann kann ich diese mehr oder weniger ressourcenschonend schreiben, denn Rechenoperationen kosten Energie. Ein effizienter Algorithmus spart Strom, denn durch die Digitalisierung wird unser Stromverbrauch viel höher.

Um wieviel höher wird der Stromverbrauch durch die Digitalisierung?
Bauer: Um nur ein Beispiel zu nennen: In Hanau wird geplant, auf dem Gelände einer ehemaligen Kaserne ein Rechenzentrum zu bauen. Das Zentrum soll voraussichtlich doppelt so viel Strom wie die ganze Stadt benötigen, die immerhin knapp 100.000 Einwohner zählt.
Hippert: Ich habe schnell mal nachgeschaut ... Da steht etwas von ... Also die Digitalisierung hat einen Anteil von 3,7 Prozent an den CO₂-Emissionen ...
Bauer: Es kann nicht das Ziel sein, die Server abzuschalten. Wir müssen den Strom aus erneuerbaren Quellen gewinnen und die Digitalisierung nutzen, um die Erzeugung und den Verbrauch von Energie zu optimieren.

Werden Sie einmal bei der Wahl des Arbeitgebers dessen Nachhaltigkeit als Kriterium anlegen?
Hippert: Mein Ziel ist es, ins Social Entrepreneurship zu gehen. Mir ist es wichtig, dass die Unternehmenskultur so gestaltet ist, dass sie nachhaltig ist, dass das Unternehmen oder die Organisation etwas Besseres als den Ausgangszustand hinterlässt. Ich will eine NGO aufbauen oder soziale Projekte.
Bauer: Ich habe selbst ein Unternehmen gegründet, das sowohl mit digitaler Beschilderung gegen die Zettel- und Informationsflut kämpft als auch Standardprozesse entwickelt, um Veranstaltungen zu organisieren. Ich achte als Unternehmer auf Nachhaltigkeit. Da in letzter Zeit das Angebot an Servern, die nachweislich Ökostrom verwenden, stark gestiegen ist, möchte ich auch möglichst bald nur noch solche verwenden.

Wird der Berufseintritt von jungen Leuten wie Ihnen, die sich der Idee der Nachhaltigkeit im Studium geöffnet haben, einen Veränderungsschub in den Unternehmen auslösen?
Hippert: Ja. Schon die Kunden achten mehr auf Nachhaltigkeit, und die Unternehmen werden nicht darum herum kommen, ihrerseits auf Nachhaltigkeit zu achten. Unternehmen, die nicht darauf achten, werden den Bach runtergehen. Natürlich steht noch der demografische Wandel mit einer wachsenden Zahl an älteren Menschen vor uns.

Sind denn die Älteren nicht an Nachhaltigkeit interessiert?
Hippert: Nachhaltigkeit ist gerade in der Ausbildung unheimlich wichtig, weil dort die Grundlagen für das Umdenken gelegt werden. Für die Älteren wird das Umdenken schwierig, weil die sich über Jahre keinen Kopf um das Thema gemacht haben.

Herr Bauer, kommt mehr Nachhaltigkeit in die Welt?
Bauer: Es sind nicht nur die Jungen, die nachrücken, die mehr Nachhaltigkeit mitbringen. Alle Unternehmen werden sich mit dem Thema auseinandersetzen müssen. Auch deshalb wird sich noch viel Veränderungspotenzial entwickeln. Und wir von der Hochschule kommen mit der Idee und den Konzepten.

Wer öffnet wem die Augen: die Hochschule den jungen Leuten oder die jungen Leute der Hochschule?
Bauer: Wir Studierende, wir treiben es mit an. Es ist noch Luft nach oben ...

Ist es gut, dass es jetzt eine Nachhaltigkeitsstrategie an der Hochschule gibt?
Hippert: Ja, es ist dennoch – wie es Herr Bauer sagt – noch Luft nach oben auf Seiten der Lehrenden. Dank der Strategie funktioniert es nicht mehr, dass jemand in der Logistikvorlesung sagt, der schnellste und günstigste Lieferant ist der beste. Mit Bezug auf das Strategiepapier kann man nun im Seminar sagen: Es ist nicht so. Das Papier wird von den Gremien getragen und wir können widersprechen, wenn etwas Falsches gesagt wird. Wichtig ist nicht, das Papier zu entwickeln, sondern dass wir uns daran halten und dass die Resultate überprüft werden. Dass es nicht zum Greenwashing dient, wie es in manchen Unternehmen gang und gäbe ist.
Bauer: Im Papier stehen viele tolle Punkte drin, die die Hochschule voranbringen werden. Wichtig ist es, dass nach den Ideen der Nachhaltigkeit gehandelt wird. Dass wir aus Worten Taten machen.

M. RingwaldID: 10019
letzte Änderung: 21.06.2022