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Vortragsreihe "Think Europe - Europe thinks": Europas Bedrohung – von innen und von außen?

In den vergangenen Monaten werden die internen Diskrepanzen der EU in der öffentlichen Debatte immer wieder thematisiert. Dabei stehen unter anderem der Rechtsstreit der EU mit Polen und Ungarn, Orbáns ‚Illiberale Demokratie‘ und geostrategische Herausforderungen zwischen der EU und Russland im Mittelpunkt. Wie beurteilen die geladenen Referenten die aktuellen ungarisch-europäischen Beziehungen? Spitzt sich der Konflikt zwischen illiberalen und liberalen Demokratien zu? Wie entwickelt sich die militärische Bedrohung Russlands in Europa? Kommt es zu einer Ost-West-Spaltung der Europäischen Union? Und wie steht es um die Europäische Idee?

Am 24. Januar 2022 diskutierten Manfred Weber, MdEP, und Dr. Péter Györkös, Botschafter von Ungarn in der Bundesrepublik Deutschland, im Livestream des Center for Applied European Studies (CAES) zusammen mit dem Geschäftsführenden Direktor des CAES Prof. Dr. Dr. Michel Friedman zum Thema „Europas Bedrohung - von innen und von außen?“ in der Reihe „Think Europe – Europe thinks“.

Die Vizepräsidentin der Frankfurt UAS Prof. Dr. Martina Klärle sprach in ihrem Grußwort die großen Herausforderungen der EU an, die zum einen in dem Rechtsstreit der EU mit Polen und Ungarn lägen sowie zum anderen in den geostrategischen Herausforderungen zwischen der EU und Russland, und stellte die Frage: „Spitzt sich der Konflikt zwischen der illiberalen und der liberalen Demokratie weiter zu?“

Der Geschäftsführende Direktor des CAES Prof. Dr. Dr. Michel Friedman beschrieb in seiner Begrüßung die ernste Lage Europas wie folgt: „Vor allen Dingen seit 2015 Menschen nach Europa geflüchtet sind, entsteht eine Entfremdung, und aber auch eine Sichtbarkeit unterschiedlichen Selbstverständnisses dessen, was nationale und europäische Kompetenz angeht, was die Interpretation des Rechtsstaatlichkeitsgedanken angeht […]“.

 

 

Manfred Weber erläuterte in seinem Vortrag, dass die EU in der Überzeugung von einem Rechtsstaatsgedanken geeint sei. „Es geht eher um die Auslegung: Wann werden Grenzen überschritten und wer legt es fest?“ Weber empfahl, Rechtsstaatsfragen vor dem EuGH zu klären und nicht zu versuchen, diese politisch zu analysieren. „Die Grundsatzfragen, die im Raum stehen, sind fundamental. Akzeptieren wir, dass die Souveränität von Staaten auf europäischem Grund und Boden infrage gestellt wird?“ Oder habe Putin das Recht, dies zu entscheiden? Europa müsse eine „klare Rechnung“ präsentieren. Weber stufte Europa als extrem geschwächt im Inneren ein - auch vor dem Hintergrund, dass Merkel als Führungspersönlichkeit weg sei. Die letzten Entwicklungen, auch verbunden mit dem Afghanistan-Rückzug, solle als Weckruf von den Europäern gesehen werden, um endlich in der Außensicherheitspolitik handlungsfähig zu werden.

Zu Beginn seines Vortrags bestätigte Dr. Péter Györkös das Grundbekenntnis Ungarns zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Allerdings gebe es „sicherlich eine Art Streit“ in Bezug auf das Verhältnis zwischen Politik und Recht. Es liege eine Begrifflichkeitsproblematik vor, da im EU-Vertrag Art. 2 das Wort „liberal“ oder „illiberal“ nicht zu finden sei. Im europäischen Rahmen sei festzustellen, dass die EU-Verträge nicht alles regeln und es eine Grauzone gebe. Im Fall von Ungarn liege eine andere Interpretation von Demokratie, eine „homemade democracy“, vor. 2015 habe Ungarn, trotz jeweiliger Kritik und Reputationsverlust, bewiesen, „dass man die EU-Außengrenzen schützen kann. Wenn man die Außengrenzen schützt, schützt man den Binnenmarkt. (…) (Man) muss nicht die NATO ersetzen, aber unter der Schwelle von Art. 5 Fähigkeiten aufbauen, wo Europa agieren kann, wenn die angelsächsischen Verbündeten nicht mitanpacken wollen.“

Als Friedman in der anschließenden Diskussion geostrategische Fragen thematisierte, benannte Weber die jetzige Lage als „bedrückend“, da die EU die militärische Dimension nicht abdecken könne, so dass die europäischen Mitgliedsstaaten auf die NATO setzen. Györkös sah langfristig für Europa keine Chance, im Hinblick auf Russland ohne die NATO zu existieren. Darüber hinaus führe laut Weber das Prinzip der Einstimmigkeit der EU dazu, dass die EU teilweise nicht handlungsfähig sei. „Deshalb müssen wir die Abschaffung der Einstimmigkeit endlich angehen“, so Weber.

Als Weber die Aussage Orbáns zu einer Abschaffung des europäischen Parlaments kritisierte, konkretisierte Györkös diese Aussage dahingehend, dass die Vertreter der nationalen Parlamente mehr Gestaltungsfreiheit haben sollten und warf die Frage in den Raum: „Warum hat ein anderes Mitgliedsland nicht das Recht, seine eigenen Visionen zu formulieren?“

Laut Weber stehe die EU vor der Frage einer Neugründung der „Mutigen“, die die „langsamen“ Mitgliedstaaten ausschließen würde. Die letzte versuchte Vertiefung der EU sei allerdings laut Györkös durch Referenden in zwei Gründungsmitgliedsstaaten abgelehnt worden, so dass er in dieser Hinsicht keinen politischen Willen sehe.

Während für Weber der EuGH als höchste Rechtsinstanz Europas zu respektieren sei, solange es keinen Kompetenzgerichtshof gebe, beschrieb Györkös die Rolle des EuGHs wie folgt: „Wir erkennen die Urteile des Europäischen Gerichtshofes [an], wo sie fest auf den Grundlagen des geltenden EU-Vertrages stehen.“

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letzte Änderung: 27.01.2022