Menü

"Es geht darum, den jungen Leuten ein menschlicher Partner zu sein"

Fast 30 Jahre lang war Prof. Dr.-Ing. Hans-Reiner Ludwig an der Frankfurt UAS tätig – Ende März geht er in den Ruhestand. Hinter dem gebürtigen Badener liegen spannende Jahre: Nach dem Abitur und einer Ausbildung zum Dreher in Zweibrücken studierte er an der Universität Karlsruhe Maschinenbau und schloss 1989 seine Promotion ab. Einige Jahre war er bei der Firma Mannesmann Rexroth Hydromatik (heute Bosch Rexroth) tätig, dann wechselte er 1993 als Professor für Werkzeugmaschinen und Konstruktion an die damalige Fachhochschule Frankfurt. Als Dekan des Fachbereichs Maschinenbau (1997 – 2000), als Vizepräsident (2001 – 2002) und als Studiendekan des Fachbereichs Informatik und Ingenieurwissenschaften (2014 – 2020) gestaltete er die Entwicklung der Hochschule aktiv mit. Dank eines Lehrauftrages wird er der Frankfurt UAS auch weiterhin erhalten bleiben.


Herr Ludwig, erinnern Sie sich an Ihren ersten Tag an unserer Hochschule?

Es sind eigentlich drei „erste Tage“, an die ich mich erinnere:

Mein erster „erster Tag“ lag lange vor meinem ersten Semester, kurz nachdem ich meinen Ruf erhalten hatte. Der damalige Rektor Johann Schneider ermunterte mich, einen Kontakt zum Kollegen Volker Gauf zu suchen, AEG-Stiftungsprofessor des damaligen Fachbereichs Elektrotechnik. Wir trafen uns im Frühjahr 1993 und sprachen über eine Kooperation in der Automatisierungstechnik: SPS-Programmierung im Studiengang Elektrotechnik und CNC-Programmierung im Studiengang Maschinenbau sollten für Studierende beider Fachrichtungen geöffnet werden. Das war einer der Anfänge unserer interdisziplinären Verflechtungen über Fachbereichsgrenzen hinweg. Bald war noch der Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften dabei und wir organisierten die ersten Teamtrainings im Labor, ein Format zur reflektierten Persönlichkeitsbildung.

Mein zweiter „erster Tag“ war das Wanderwochenende in der Rhön mit den thüringischen Kollegen aus Schmalkalden. Unser Fachbereich Maschinenbau war nach der deutschen Wiedervereinigung der „Pate“ für den dortigen Fachbereich. Die dienstälteren Kollegen und unser Dekan Dr. Steinwender mussten in kraftraubender Zusatzarbeit das gesamte dortige Kollegium nach dem Ende der DDR neu berufen. Aus dieser Verbindung entstand das gemeinsame Wanderwochenende, das es bis heute noch gibt.

Mein dritter „erster Tag“ war dann wirklich der erste Tag im Wintersemester 1993/1994, die Dienstversammlung des Fachbereichs Maschinenbau, eine förmliche Veranstaltung im positiven Sinn.

An welche Erlebnisse Ihrer Zeit an der Frankfurt UAS denken Sie besonders gerne zurück?

Besonders gerne denke ich an all die Erfahrungen zurück, die mir gezeigt haben, was man in gemischten Teams erreichen kann, wenn man eine Vision teilt. In meiner Zeit als Dekan des Fachbereichs Maschinenbau traf das auf die Einführung der Bachelor- und Masterabschlüsse zu, abgeschlossen durch die erste Akkreditierung an unserer Hochschule. Später, als Vizepräsident, war ich in die Entwicklung des Studiengangs Luftverkehrsmanagement durch den damaligen Fachbereich Wirtschaft involviert, Unternehmenspartner war die Fraport. Beides waren gelungene Gemeinschaftsleistungen.

Die intensive Aufbruchsstimmung herrschte auch in den ASIIN-Gremien, in denen ich insgesamt 12 Jahre lang mitarbeiten konnte. Im Zuge des Bologna-Prozesses haben sich die Fachhochschulen einen Durchbruch erkämpft, an dessen Ende unstrittig anerkannt wurde, dass auch Hochschulen für Angewandte Wissenschaften Master-Studiengänge anbieten dürfen. Damit war der Weg zu einer Durchlässigkeit der Bildungskarrieren gebahnt, die es zuvor so nicht gegeben hat.

2006 gingen wir dann auf Basis der Erfahrungen mit den ersten Bachelor- und Master-Studiengängen in einen neuen Akkreditierungszyklus, bei dem wir die Integration fachlicher und überfachlicher Kompetenzen von Grund auf neu dachten. Wir arbeiteten im Team mit Professorinnen und Professoren, Mitarbeitenden und Studierenden, eine große gemeinschaftliche Kraftanstrengung und ein gemeinsamer Erfolg.

Zu meinen schönsten Erlebnissen an der Hochschule gehört nicht zuletzt die Organisation des „Willkommensjahrs“ für Geflüchtete, das „WKJ“. Unser Ministerium hatte Ende 2015 kurzfristig Gelder für Projekte zur Unterstützung Geflüchteter ausgeschrieben und an einem trüben Donnerstagabend im November habe ich die Struktur des WKJ skizziert. In den folgenden Tagen konnte ich die Unterstützung des Präsidiums und von Kolleginnen und Kollegen aus dem International Office und dem Fachsprachenzentrum gewinnen. Die Umsetzung ab 2016 war eine riesige Arbeit, die uns ohne das enorme Engagement aller Beteiligten, besonders der studentischen Hilfskräfte aus allen vier Fachbereichen, bestimmt nicht gelungen wäre. Es hat mich mit Freude und Stolz erfüllt, sinnvoll Unterstützung zu leisten und zu sehen, wozu wir als Hochschule in der Lage sind, wenn wir nur zusammenstehen: Fachbereiche, zentrale Einheiten, Senat, Hochschulrat und AStA.

Das WKJ war übrigens eine Keimzelle für das Unterstützungsprogramm STEPS – Schritt für Schritt durchs Studium und für unser Studium der angepassten Geschwindigkeit, focus!ng.

Sie sind seit dreißig Jahren an der Frankfurt UAS. Wie hat die Hochschule Sie verändert?

In meiner Selbstwahrnehmung sehe ich mich heute als viel offener und weniger verkrampft als vor dreißig Jahren. Dass die Hochschule vor allem den Studierenden dienen soll, war von Anfang an meine Überzeugung. Bald habe ich noch dazugelernt, wie stark die Hochschule von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern getragen wird. Und mir ist nach und nach klargeworden, mit wie vielen Problemen manche unserer Studierenden kämpfen müssen: Chronische Krankheiten betreffen viel mehr junge Menschen, als man denkt. Dazu kommen bei vielen das Arbeiten für den Lebensunterhalt, mitunter emotionale und familiäre Herausforderungen, Krankheit und Tod von Großeltern oder Eltern, das erste oder zweite Kind, manchmal auch einfach Liebeskummer oder der Schmerz, wenn man an die eigenen Grenzen stößt. Vor diesem Hintergrund geht es beim Amt einer Professorin oder eines Professors um weitaus mehr als nur ein "Wächteramt" für den eigenen fachlichen Anspruch, nämlich darum, den jungen Leuten ein menschlicher Partner zu sein und die Entwicklung ihrer Persönlichkeit zu begleiten.

Was würden Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen für die Zukunft raten?

Aufeinander hören. Vor allem: Auf die Anderen zu hören! – Verstehen, worum es ihnen geht. Die Welt und die Hochschule nicht nur aus dem eigenen Blickwinkel wahrnehmen, sondern das gemeinsame Wohl im Sinn haben.

Zentrale WebredaktionID: 4224
letzte Änderung: 01.05.2018