Stürze erkennen mittels Gurtsystem und Sensoren

Informatiker Dr. Luigi La Blunda entwickelt im Rahmen seiner Promotion Prototyp und App zur Nothilfe

Wer stürzt und sich verletzt, ist auf schnelle Hilfe angewiesen. Was geschieht, wenn die gestürzte Person allein, womöglich gebrechlich oder bewusstlos ist? Die Frage, wie ein technisches System Stürze entdecken und im Notfall automatisch Hilfe rufen kann, stand im Zentrum der Dissertation des Informatikers Dr. Luigi La Blunda, Mitglied der Forschungsgruppe von Prof. Dr. Matthias Wagner an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS). Anfang April dieses Jahres hat er seine Promotion in Kooperation mit der andalusischen Universidad de Cádiz (UCA), einer Partnerhochschule der Frankfurt UAS, abgeschlossen. Als Ergebnis seiner Forschung entwickelte Luigi La Blunda einen Hüftgurt mit Sensoren und eine App, die Daten direkt in „auslesbare“ Infos für medizinisches Fachpersonal verwandelt.


La Blunda studierte nach seinem Bachelor in Ingenieur-Informatik den interdisziplinären Master-Studiengang Barrierefreie Systeme, heute „Inclusive Design“, mit dem Informatik-Schwerpunkt Intelligente Systeme. Der Studiengang beschäftigt sich mit der Frage, wie intelligent vernetzte Sensoren und Aktoren den Lebensraum von Menschen verbessern können. La Blunda war wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsgruppe von Prof. Dr. Matthias Wagner. Sie befasst sich mit drahtlosen intelligenten Sensornetzwerken (Wireless and smart Sensor Networks), dem Internet of Things und Data Science und ist besonders aktiv im Bereich der Erkennung menschlicher Aktivitäten (Human Activity Recognition) und auf dem Gebiet der Safety Critical Systems für die grundlegende Sicherheit von Menschen.

Vor dem Hintergrund dieser Forschungsthemen entwickelte La Blunda in seiner Master-Thesis ein Gurtsystem zur Sturzerkennung. Bei einem Symposium in Cádiz knüpfte der heute 31-Jährige Kontakte zu Forschenden der dortigen Universität und erhielt die Chance, seine Masterarbeit in Kooperation mit der Universidad de Cádiz (UCA) zur Promotion auszubauen.


„Ein Sturz kann für Betroffene ohne Hilfe tödliche Folgen haben. Das gilt nicht nur für ältere Menschen, sondern auch für bestimmte Berufsgruppen wie Feuerwehrleute oder Techniker/-innen, die beim Einsatz an entlegenen Orten, etwa oben auf einem Windrad, einen Unfall haben“, erläutert La Blunda. „Als Informatiker/-innen können wir daran forschen, wie Technik hilft, solche Situationen korrekt zu erkennen und einen Notruf abzusetzen, ohne dass die Betroffenen selbst aktiv werden müssen.“

Sein Fokus lag auf der Sturzerkennung durch Sensorfusion. Dabei werden die Daten aus mehreren Knotenpunkten kombiniert, um eine besonders zuverlässige Aussage treffen zu können. Stürze sollen nicht nur festgestellt, sondern auch klassifiziert werden. „Ich wollte nicht nur eine Antwort auf die Frage, ob jemand gestürzt ist, sondern auch wie. Dazu musste definiert werden, was ein Sturz ist – und was vielleicht nur eine sehr dynamische Bewegung. Wichtig war mir, ein portables System zu entwickeln. Betroffene sollten es am Körper tragen können. Über Bluetooth gibt das System sicherheitskritische Informationen an zuvor festgelegte Stellen weiter.“


Unterstützung durch Feuerwehr und Arztpraxis

Nach Analyse der bisherigen Forschung und bestehender Systeme baute La Blunda zunächst ein tragbares Sensorsystem basierend auf einem Brust- und Oberschenkelknoten nach, um ein Referenzsystem zu haben. Sein Ansatz war es, einen Hüftgurt mit vier Knotenpunkten zu konzipieren. „Die Hüfte ist ein Massepunkt des Körpers, an dem besonders detaillierte Bewegungsdaten ausgelesen werden können. Vier Punkte sollten es sein, weil so eine gewisse Ausfallsicherheit gewährleistet wird und weil sich durch die symmetrische Verteilung der Sensoren sehr präzise Daten ergeben, die gespiegelt werden können, falls ein oder mehrere Punkte ausfallen“, so La Blunda. Es folgten Sturzsimulationen, zunächst mit speziellen Testpuppen, dann mit Probanden. Dazu wurden auch Freunde und Familienmitglieder herangezogen. Für seine Tests durfte der Wissenschaftler in Zusammenarbeit mit der Frankfurter Feuerwehr das Feuerwehr- und Rettungstrainingscenter in Frankfurt am Main nutzen.

Bei Analyse der Daten wurde deutlich, dass eine Kopplung mit Informationen zur Herzfrequenz der Betroffenen sinnvoll sein könnte: Die Herzfrequenz kann Aufschluss über ein mögliches Sturzereignis geben und die Zuverlässigkeit des Systems damit erhöhen. Im besten Fall helfen Daten zur Herzfrequenz sogar, einen Sturz zu verhindern, weil eine veränderte Herzfrequenz ein frühes Signal für eine Sturzgefahr sein kann. Rund um dieses Thema arbeitete La Blunda eng mit Ärztinnen und Ärzten zusammen und validierte das System gemeinsam mit einer Hausarztpraxis.

Letztendlich konnten durch das Gurtsystem (bestehend aus vier Sensorknoten) 96 Prozent aller Stürze korrekt erkannt werden.

Eine von La Blunda entwickelte App bereitet die Daten so auf, dass sie für medizinisches Fachpersonal leicht auslesbar sind. Damit können Ärztinnen und Ärzte direkt sehen, wie Betroffene gestürzt sind. Auch zum Thema Benutzerfreundlichkeit half der Austausch mit Fachleuten, z.B. bei der Frage, wie der Gurt gestaltet sein muss, damit Demenzkranke ihn sich nicht vom Körper reißen können.

La Blundas Dissertation legt die solide Grundlage für zukünftige Arbeiten in Form von ausgearbeiteten Konzepten und Prototypen, die einen erheblichen wissenschaftlicher Wert haben und die zu wesentlichen Verbesserungen in der Sturzerkennung beitragen. La Blunda zieht ein durchweg positives Fazit seiner Promotionszeit. „Ich fand es spannend, wie sich in einer Promotion wissenschaftliche Theorie und Praxis kombinieren lassen. Manche glauben, eine Promotion bedeute ausschließlich trockene Theorie, aber wir haben bei unserer Forschung immer den Anwendungsbezug im Blick. Ich habe den Austausch mit Forschenden aus der ganzen Welt sehr genossen und dabei festgestellt, dass wir als Frankfurt UAS in der Forschung international mithalten können.“

Nach seiner Promotion arbeitet Luigi La Blunda inzwischen bei einem großen Unternehmen im Bereich IT-Architektur.


Kontakt

Frankfurt University of Applied Sciences
Fachbereich 2: Informatik und Ingenieurwissenschaften
Prof. Dr. rer. nat. Matthias Wagner
Tel.: +49 69 1533-2537
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Informationen zum Studiengang Inclusive Design: www.frankfurt-university.de/inclusivedesign

Informationen zum Fachbereich Informatik und Ingenieurwissenschaften: www.frankfurt-university.de/fb2

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last updated on: 12.06.2023