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„Schutz für Whistleblower hat Schwächen“

Hinweisgeberschutzgesetz tritt am 2. Juli 2023 in Kraft: Prof. Dr. Peter Wedde bewertet Inhalt und nennt mögliche Hürden

Das neue Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) tritt am 2. Juli 2023 mit seinen wesentlichen Teilen in Kraft. Für Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten gilt es hingegen erst ab dem 17. Dezember 2023. Das HinSchG soll sogenannte Whistleblower, also Personen, die auf Gesetzesverstöße in ihrem Arbeitsumfeld hinweisen, insbesondere vor Repressionen durch ihre Arbeitgeber schützen. Mit gut eineinhalb Jahren Verspätung kommt die Bundesrepublik Deutschland mit diesem Gesetz einer verpflichtenden EU-Richtlinie zur Schaffung eines Schutz- und Regelungsrahmens für hinweisgebende Personen nach, deren Umsetzungsfrist am 17. Dezember 2021 endete. Nachdem eine erste Fassung des Gesetzes im Februar 2023 im Bundesrat am Widerstand der CDU scheiterte, ist die jetzige Fassung das Ergebnis der Verhandlungen im Vermittlungsausschuss.

Diese Kompromisslösung hat nach Auffassung des Arbeitsrechtlers Prof. Dr. Peter Wedde Schwächen und baut unnötige Hürden auf. In seinem Statement stellt der emeritierte Professor für Arbeitsrecht und Recht der Informationsgesellschaft an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) wichtige Regelungen des Gesetzes vor und bewertet deren praktische Auswirkungen.

„Unternehmen haben ein großes Interesse daran, Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften oder gegen interne Richtlinien so früh wie möglich zu erkennen, um Gegenmaßnahmen einzuleiten und Schäden vermeiden zu können. Deshalb sind sie auch an entsprechenden Hinweisen von Beschäftigten interessiert, die in ihrem persönlichen Arbeitsumfeld als Erste bemerken, dass etwas schiefläuft. Gibt es in Betrieben oder Dienststellen eine offene und vertrauensvolle Kommunikationskultur, sind solche Hinweise an Vorgesetzte oder zuständige Stellen kein Problem. Schwieriger ist es dort, wo innerbetriebliche Kritik eher nicht erwünscht ist, aber auch dann, wenn es sich um Verstöße von anderen Beschäftigten, von Vorgesetzten oder gar von Mitgliedern der Geschäftsleitung handelt“, so Wedde. „Dort müssen Whistleblower oft berufliche oder persönliche Nachteile fürchten und verzichten deshalb auf Mitteilungen oder Warnhinweise. Dies soll das Gesetz ändern.“

Der Schutz hinweisgebender Personen gilt laut Gesetz für Meldungen bezogen auf strafrechtlich relevante Verstöße sowie für Ordnungswidrigkeiten, die Leben, Leib oder Gesundheit von Menschen gefährden. Erfasst sind weiterhin Verstöße gegen bundesrechtliche Vergabevorschriften und gegen Regeln des Unternehmenssteuerrechts. Geschützt sind auch Hinweise auf verfassungsfeindliche Äußerungen von Beamten.

Zu diesen Einschränkungen merkt Prof. Wedde an: „Die Begrenzung der Anwendbarkeit des Gesetzes kann im Einzelfall dazu führen, dass Personen auf Meldungen ganz verzichten, wenn sie beispielsweise nicht einschätzen können, ob ein von ihnen bemerktes Verhalten einen Straftatbestand erfüllt. Hier wäre ein weiterer Anwendungsbereich wünschenswert gewesen, der etwa auch schwerwiegende oder vorsätzliche Verstöße gegen firmeninterne Verhaltensgrundsätze, gegen Ethikrichtlinien oder gegen kollektivrechtliche Vereinbarungen wie insbesondere Betriebs- oder Dienstvereinbarungen erfasst.“

Für Hinweise und entsprechende Folgemaßnahmen müssen Arbeitgeber eine interne Meldestelle einrichten, wenn sie regelmäßig mindestens 50 Beschäftigte habe. Hinzu kommen auf Bundes- und Landesebene verschiedene externe Meldestellen. Die Einrichtung anonymer Meldewege ist den Meldestellen freigestellt. Dies bedauert Prof. Wedde: „Die Schwelle für die Ansprache von Meldestellen ist besonders hoch, wenn Beschäftigte ein rechtlich unzulässiges Handeln in ihrem unmittelbaren Arbeitsumfeld oder bei Vorgesetzten wahrnehmen. Grund ist die Sorge, dass entgegen allen Vertraulichkeitsvorgaben doch etwas durchsickert. Diese Sorge räumt auch das Hinweisgeberschutzgesetz nicht aus. Es ist schade, dass die ursprünglich bestehende Pflicht zur Einrichtung anonymer Meldewege aus dem Gesetz gestrichen wurde.“

Personen, die eine Meldung machen wollen, haben grundsätzlich ein Wahlrecht zwischen internen und externen Meldestellen. Allerdings müssen sie zunächst eine interne Meldestelle ansprechen, wenn sie deshalb keine Repressalien zu befürchten haben. Wedde findet diese indirekte Einschränkung der Wahlfreiheit nicht überzeugend: „Es wäre besser, hinweisgebenden Personen bei der Wahl der Meldestelle freie Hand zu lassen, wie das ursprünglich auch vorgesehen war. Wer sich jetzt direkt an eine externe Meldestelle wendet, muss dort möglicherweise darlegen, woher die Sorge vor Repressalien rührt. Das schafft eine zusätzliche Hürde und kann im Einzelfall dazu führen, auf eine Meldung ganz zu verzichten.“

Repressalien gegen hinweisgebende Personen verbietet das Gesetz ebenso wie Drohungen oder Einschüchterungsversuche. Hinzu kommt ein berufliches Benachteiligungsverbot zu Lasten von Arbeitgebern: Machen Beschäftigte geltend, dass eine Benachteiligung Folge eines Hinweises nach dem HinSchG ist, müssen Arbeitgeber den Beweis erbringen, dass ein solcher Zusammenhang nicht besteht.

Wedde weist in diesem Zusammenhang auf das Folgende hin: „Das Verbot von Repressalien soll hinweisgebende Personen schützen. Der vom Gesetzgeber angestrebte Schutzeffekt wäre allerdings noch größer, wenn Handlungen zum Nachteil hinweisgebender Personen nicht nur eine Ordnungswidrigkeit wären, sondern eine Straftat. Das für die Ordnungswidrigkeit angedrohte Bußgeld von maximal 50.000 Euro ist zwar nicht gering, in der Praxis aber weit weniger abschreckend als eine mögliche strafrechtliche Verurteilung und eine hieraus resultierende Vorstrafe. Zudem wurde ein allgemeiner Entschädigungsanspruch der hinweisgebenden Personen ebenfalls aus dem Gesetz gestrichen.“

Zur Person:
Prof. Dr. Peter Wedde war bis zum Sommersemester 2021 Professor für Arbeitsrecht und Recht der Informationsgesellschaft an der Frankfurt UAS. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören das individuelle und kollektive Arbeitsrecht sowie Daten- und Beschäftigtendatenschutz. Er ist Herausgeber von juristischen Fachkommentaren zum gesamten Individualarbeitsrecht, zum Betriebsverfassungs- und zum Datenschutzrecht sowie Autor zahlreicher Buch- und Zeitschriftenbeiträge und Onlinepublikationen. Als Referent vertritt er seine Schwerpunktthemen regelmäßig auf Fachkonferenzen und in Praxisforen.

Gerne steht Prof. Wedde für Interviews, Fragen und weitere Statements rund um das Thema zur Verfügung.

Kontakt
Frankfurt University of Applied Sciences
Prof. Dr. Peter Wedde
Telefon: +49 171 3802499
E-Mail: wedde(at)fb2.fra-uas.remove-this.de

Zentrale WebredaktionID: 13159
letzte Änderung: 23.11.2023