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Statement: Fehlendes Begleitgesetz zur Corona-App gefährdet deren Akzeptanz

Datenschutzexperte fordert klare rechtliche Regelungen: Prof. Dr. Wedde von der Frankfurt UAS nimmt Stellung zu den Grenzen für individuelle Offenbarungspflichten in Zeiten von Covid-19

Die steigende Zahl neuer Corona-Infektionen könnte schon bald verschärfte Vorsorgemaßnahmen und Einschränkungen zur Folge haben. Sind sie gesetzlich vorgeschrieben, müssen sie befolgt werden. Im öffentlichen Leben kann es aber auch ohne gesetzliche Grundlage zu weitergehenden Auflagen kommen. So müssen Besucher/-innen mancher Firmen bereits heute Fragebögen ausfüllen, die nicht nur nach einer Corona-Infektion fragen, sondern nach der Körpertemperatur, ob Husten oder Halsschmerzen vorliegen und Angehörige oder Freunde erkrankt sind. Diskutiert wird ebenso, ob die Nutzung der Corona-App oder die Vorlage eines negativen Corona-Tests Voraussetzung für den Zutritt zu Geschäften, Restaurants oder Betrieben sein könnten. Ob solche Anforderungen einer rechtlichen Prüfung standhalten, bewertet der Datenschutzexperte und Arbeitsrechtler Prof. Dr. Peter Wedde von der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS). Er wertet das Fehlen eindeutiger gesetzlicher Regelungen als Kernproblem.
 
Die staatliche Corona-Warn-App hat einen zentralen Zweck: Sie soll Nutzer/-innen informieren, ob sie sich innerhalb der letzten 14 Tage in der Nähe einer mit dem Virus infizierten Person befunden haben. „Die Verwendung der App ist freiwillig und erfolgt anonym. Die Anonymität kann nur von einem positiv getesteten Nutzer zusammen mit einer hierfür autorisierten Stelle aufgehoben werden. Auch in diesem Fall werden aber keine personenbezogenen Daten übermittelt. Dieses Konzept von Freiwilligkeit und Anonymität schließt klar aus, dass am Eingang zum Restaurant oder Kino das Vorzeigen der Corona-App verlangt wird“, erläutert Wedde. Dieser Grundsatz der Freiwilligkeit gelte auch gegenüber Forderungen von Arbeitgebern. „Ihnen ist es verwehrt, die Aktivierung der Software auf dienstlichen Endgeräten zu verlangen oder zentral durchzuführen. Dafür gibt es keine rechtliche Grundlage.“ Problematisch sei, dass Betroffene, die sich dagegen zur Wehr setzten, mit Nachteilen rechnen müssten. Der Jurist bemängelt: „Das eigentliche Problem ist, dass eine gesetzliche Regelung fehlt, die jede zweckfremde Verwendung der Corona-App sowie jeden Eingriff in das Freiwilligkeitsprinzip klar verbietet und gegebenenfalls sanktioniert.“
 
Rechtlich ähnlich zu bewerten ist die Vorlage eines sogenannten „Corona-Fragebogens“, der mangels einer gesetzlichen Vorgabe ebenfalls auf Freiwilligkeit basiert. „Wird aber Betriebsfremden am Firmentor der Zutritt zum Betriebsgelände verweigert, falls sie ein solches Formular nicht ausfüllen, kann von freiwilliger Entscheidung nicht die Rede sein“, so Wedde. Gleiches gelte für den Einzelhandel oder Restaurants. „Grundsätzlich könnten Kaufleute oder Gastronomen einen solchen Fragebogen zwar mit ihrem berechtigten Interesse begründen, Covid-19-Virus infizierte Personen am Zutritt zu hindern. Dafür würde es aber ausreichen, wenn sie sich von ihren Gästen bzw. ihrer Kundschaft unterschreiben lassen, dass sie zur Kenntnis genommen haben, dass an Covid-19 erkrankten Personen der Zutritt untersagt ist.“ Weitergehende Abfragen zum aktuellen Gesundheitszustand, Datum des letzten Corona-Tests, zur Körpertemperatur oder Rückkehr aus einem Risikogebiet sind unzulässig. „Schutzwürdige Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen überwiegen hier eindeutig. Werden dennoch widerrechtlich Daten abgefragt, dürfen Betroffene nicht nur die Auskunft verweigern, sondern auch unzutreffende Angaben machen. Zudem steht ihnen die Möglichkeit offen, Schadenersatz einzufordern, wenn sie beispielsweise ein Konzert nicht besuchen konnten, weil der Veranstalter den Zutritt vom Ausfüllen eines Gesundheitsfragebogens abhängig gemacht hat.“
 
Entsprechendes gilt auch, falls man aufgefordert wird, das Ergebnis eines aktuellen Corona-Tests vorzulegen, beispielsweise wenn der Arbeitgeber aus Angst vor Ansteckungen der übrigen Belegschaft nicht riskieren will, aus Risikogebieten zurückgekehrte Mitarbeiter/-innen in den Betrieb zu lassen. „Eine allgemeine Vorlagepflicht ohne besonderen Grund gibt es nicht“, betont der Arbeitsrechtler. „Ein großer Teil der praktischen Probleme resultiert auch hier daraus, dass es keine klare und absolute gesetzliche Festlegung zulässiger Zwecke gibt. Ihr Fehlen führt – wie bei der Corona-App – nicht nur zur individuellen Verunsicherung, sondern auch zu Drucksituationen für Betroffene.“

Verschärft wird dieses Problem „durch die steigende Begehrlichkeit staatlicher Stellen bezogen auf die zur Eindämmung von Corona erhobenen personenbezogenen Daten“. Dies lässt sich an der zunehmenden Zahl von Zugriffen durch Polizei und Staatsanwaltschaft auf die in Restaurants geführten Gästelisten ablesen. „Weil derartige zweckfremde Verarbeitungen in den einschlägigen gesetzlichen Corona-Regelungen nicht eindeutig verboten werden, sind solche Zugriffe auf der Grundlage des allgemeinen Strafprozessrechts zulässig“, erläutert der Jurist. Er warnt: „Müssen Bürgerinnen und Bürger damit rechnen, dass ihre allein zur Bekämpfung der Corona-Pandemie erhobenen Daten plötzlich auch zur Aufklärung beliebiger Delikte ausgewertet werden, wird die Akzeptanz für derartige Maßnahmen schwinden und das Vertrauen geschädigt.“

Die Haltung des Datenschutzexperten ist klar: „Erforderlich ist auch in diesem Bereich eine gesetzliche Festschreibung einer engen Zweckbindung, die entsprechende Auswertungen allenfalls bezogen auf schwere Verbrechen und allein auf der Basis einer richterlichen Entscheidung zulässt.“

Gerne steht Prof. Wedde für Interviews, Fragen und weitere Statements rund um das Thema zur Verfügung. 

Kontakt

Frankfurt University of Applied Sciences
Fachbereich 2: Informatik und Ingenieurwissenschaften
Prof. Dr. Peter Wedde
Tel.: +49 171 3802499
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Weitere Informationen zum Fachbereich Informatik und Ingenieurwissenschaften unter: www.frankfurt-university.de/fb2

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