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„Geringe Gamer-Akzeptanz von Algorithmen bleibt kritischer Faktor beim Thema Mikrotransaktionen“

Kein Interesse am erkauften Sieg: Prof. Dr. Lutz Anderie legt Anschlussstudie „Frankfurt Game Studies II“ zu KI-gestützter Monetarisierung in der Spiele-Branche vor

Bei etwa der Hälfte der deutschen Bevölkerung sind digitale Spiele (Games) fester Bestandteil der täglichen Mediennutzung. Im Zuge der Corona-Pandemie stieg der Konsum noch an: Die Lockdown-Phasen haben der Videospiel-Industrie in Deutschland im ersten Halbjahr 2021 nach Angaben des Branchenverbands Game ein deutliches Umsatzwachstum um 22 Prozent beschert. Welche Bedeutung Mikrotransaktionen, also im Spielverlauf getätigte Kleinkäufe virtueller Güter (In-Game Items) und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) für die Monetarisierungsmodelle der Spielehersteller haben, hat Prof. Dr. Lutz Anderie in der Studie „Frankfurt Game Studies II – KI-gestützte Monetarisierung in der Games-Branche“ untersucht.
Der Game-Experte und Professor für Wirtschaftsinformatik an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) legt die Studienergebnisse zur weltweit größten Computer- und Videospielemesse „gamescom“ vor.
„Die Games-Branche ist sowohl im Bereich technischer Innovationen federführend, z.B. im Bereich 3D-Modellierung, als auch bei wirtschaftlichen Neuerungen. Monetarisierungsmodelle in der Games-Branche unterliegen einer hohen Dynamik. Da die Monetarisierung von In-Game Items ein innovativer Wachstumstreiber für die Wertschöpfung ist und somit einen wirtschaftlichen Mehrwert mit sich bringt, liegt eine große Forschungsrelevanz vor“, erläutert Anderie. Aufbauend auf der Untersuchung „Frankfurt Game Studies – Monetarisierungsmodelle und Cloud Gaming“1 von 2020 liegt der Fokus der nun vorgelegten Anschlussstudie auf den Themenfeldern Mikrotransaktionen und Künstliche Intelligenz und differenziert die User-Charakteristika weiter aus. Leitfragen waren: Wie hoch ist die Akzeptanz der Nutzer/-innen von Mikrotransaktionen? Welchen Einfluss hat der Einsatz von Künstlicher Intelligenz auf die Mikrotransaktionen und wie hoch ist deren Akzeptanz?
Zwar hat sich der Studie zufolge die Bereitschaft zu Mikrotransaktionen im Vergleich zur Frankfurt Game Studies I um 16 Prozentpunkte erhöht. Auch könnte der Einsatz einer KI, welche die Spielweise und Präferenzen analysiert, die Ausgaben der Mikrotransaktionen noch weiter wachsen lassen. „Aktuell wird dies aber von mindestens der Hälfte der deutschen Gamer abgelehnt – anders als z.B. in China, wo der Einsatz von KI zur Datenerhebung und Überwachung generell weiter fortgeschritten ist“, erläutert der Wirtschaftsinformatiker, auch mit Blick darauf, dass der Einfluss chinesischer Konzerne im westlichen Games Markt stetig steigt.

Die „Frankfurt Game Studies II“ wurde als Längsschnittstudie im Rahmen der Studiengänge Strategisches Informationsmanagement (Wirtschaftsinformatik) und Leadership am Fachbereich Wirtschaft und Recht an der Frankfurt UAS durchgeführt. Dazu wurden im Zeitraum zwischen Dezember 2020 und Februar 2021 Online-Befragungen mit 714 Teilnehmenden durchgeführt; die Befragten waren ausschließlich Core-Gamer, die das Spielen eher komplexer Games regelmäßig (88,9 Prozent, davon 47,5 Prozent täglich) betreiben (im Gegensatz zu Casual Gamern, die nur gelegentlich spielen). Teilweise wurde auch auf Ergebnisse der Frankfurt Games Studies I – zurückgriffen.
Im Einzelnen ergab sich folgendes Bild:

Mikrotransaktionen
Zusatzangebote wie In-Game Items, Season-/Battle Passes oder „Lootboxen“ (Boxen mit virtuellen Gütern) stellen eine zunehmend wichtige Erlösquelle zur Monetarisierung von Games dar. Mikrotransaktionen sind daher das derzeit dominierende Geschäftsmodell mit einem starken Wachstum. „Die Akzeptanz der Befragten gegenüber Mikrotransaktionen ist seit der letzten Frankfurt Game Studies auf 70,3 Prozent der Befragten angestiegen“, so Anderie. Als Grund vermutet er zunehmende Erfahrungen beim Kauf von In-Games Items. „Zudem wurden durch das Marktwachstum neue Zielgruppen erreicht, die ‚offener‘ für den Kauf von In-Game Items sind.“ Die Mehrheit der Befragten (56,6 Prozent) gibt im Jahr durchschnittlich bis zu 50 Euro für Mikrotransaktionen aus, 15,7 Prozent der Befragten zahlen mehr als 200 Euro pro Jahr. Diese kennzeichnen sich besonders durch tägliches Spielen mit einer Spieldauer von über vier Stunden. Ihre präferierten Spielgenres sind Sport und Battle Royale.
Die Bereitschaft, Mikrotransaktionen zu tätigen, ist bei kostenlosen Spielen (Free-2-Play Games) zwar höher; allerdings wird in gekauften Spielen (Pay-2-Play Games) im Segment über 200 Euro pro Jahr und Gamer in Summe mehr Geld für Computerspiele ausgegeben. Grundsätzlich würden 63,5 Prozent der Befragten ein gekauftes Spiel mit allen enthaltenen Erweiterungen gegenüber einem Gratis-Spiel mit erweiterbaren, kostenpflichten Inhalten vorziehen. „Dies ist dadurch zu erklären, dass der Großteil der Spielerinnen und Spieler keine ,Zwei-Klassen-Spielerschaft‘, sondern ein Level Playing Field haben möchte, bei dem alle nach denselben Regeln spielen und über die gleichen Erfolgschancen verfügen“, erläutert Anderie.

Künstliche Intelligenz
Der Einsatz von maschinellem Lernen und KI zählt zu einem leistungsstarken Tool für die Monetarisierung von In-Game Items. Es existieren bereits verschiedene Anwendungsszenarien, bei denen eine KI gewinnmaximierend eingesetzt werden kann. So kann ein KI-gestützter, selbstlernender Algorithmus auf Grundlage des Spiel- und Investitionsverhaltens und der individuellen Präferenzen dem Spielenden in Echtzeit immer dann ein In-Game Item anbieten, wenn seine Kaufbereitschaft statistisch am höchsten ist.
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz kann zu einem Anstieg der Ausgaben von Mikrotransaktionen führen und die Kaufbereitschaft um bis zu 25 Prozent steigern. „Derzeit gibt es jedoch in den meisten Fällen eine hohe Ablehnung gegenüber KI-basierten Monetarisierungsmodellen“, fasst Anderie die Umfrageergebnisse zusammen. Auf die Frage „Möchten Sie in bestimmten Spielsituationen Vorschläge für kostenpflichtige In-Game Items erhalten, die Ihnen einen Vorteil verschaffen?“ lehnte ein Großteil (77,9 Prozent) diesen sogenannten Pay-2-Win Mechanismus ab. Die Hälfte der Befragten sprach sich zudem gegen die Speicherung und Analyse ihres Spielerprofils aus.
„Games-Unternehmen müssten mit mangelnder Akzeptanz oder gar einem Boykott der Gamer rechnen. Trotz der finanziellen Vorteile sollten sie deshalb abwägen, ob sich die Einführung eines KI-basierten Monetarisierungssystems lohnt“, so Anderies Fazit. „Fakt ist: Die KI-Akzeptanz gilt als ein kritischer Faktor, damit Monetarisierungsmodelle überhaupt funktionieren können.“

Kontakt

Frankfurt University of Applied Sciences
Fachbereich 3: Wirtschaft und Recht
Prof. Dr. Lutz Anderie
Tel.: +49 69 1533-2939
Mobil: +49 173-6585491
l.anderie(at)fb3.fra-uas.remove-this.de
Weitere Informationen zum Fachbereich Wirtschaft und Recht unter: www.frankfurt-university.de/fb3

1Die Ergebnisse der „Frankfurt Game Studies - Monetarisierungsmodelle und Cloud Gaming“ und der aktuellen Studie „Frankfurt Game Studies II – KI-gestützte Monetarisierung in der Games-Branche“ liegen als pdf-file ab dem 27. August 2021 zum Download unter: https://www.anderie-management.com/

Zentrale WebredaktionID: 4225
letzte Änderung: 30.04.2018