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Bildungsurlaub – mindestens fünf Tage für die Erweiterung der beruflichen Qualifikation

Prof. Dr. Peter Wedde wirbt dafür, das Recht auf Weiterbildung aktiv wahrzunehmen

Wer gute Vorsätze für 2024 fasst, könnte in die eigene Weiterbildung investieren und einen Bildungsurlaub planen. Nach dem Hessischen Bildungsurlaubsgesetz (HBUG) haben Beschäftigte den Rechtsanspruch, sich fünf Tage pro Jahr unter Fortzahlung des Gehalts von der Arbeit freistellen zu lassen, um an Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen teilzunehmen. Vergleichbare Regelungen gibt es mit Ausnahme von Bayern und Sachsen in allen Bundesländern.

Aber nur wenige nutzen dieses Recht. Professor Dr. Peter Wedde, emeritierter Professor für Arbeitsrecht und Recht der Informationsgesellschaft an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS): „Nach aktuellen Zahlen des Münchner ifo-Instituts machen in Hessen nur ca. 3,7 Prozent der berechtigten Beschäftigten Bildungsurlaub. Dieser Wert liegt nur knapp über dem Bundesdurchschnitt von 3,5 Prozent.“

Als Gründe für diese überraschend niedrige Zahl vermutet Wedde, dass viele Arbeitnehmer*innen gar nicht wissen, dass sie einen gesetzlichen Freistellungsanspruch haben oder aber, dass sie negative Reaktionen ihrer Arbeitgeber fürchten und aus Angst vor beruflichen Nachteilen verzichten. „Und natürlich spielt es auch eine Rolle, dass Beschäftigte die Kosten für den Bildungsurlaub selbst zahlen müssen“, so Wedde. Sein Tipp: Wer 2023 keinen Bildungsurlaub genommen hat, kann den Anspruch noch auf 2024 übertragen. Ein entsprechender Antrag muss schriftlich bis zum 31. Dezember gestellt werden, dann können Beschäftigte im Folgejahr einen zweiwöchigen Bildungsurlaub durchführen, wenn die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind.

Erweiterung der beruflichen Qualifikation

Der gesetzlich garantierte Bildungsurlaub zielt auf die Verbesserung und Erweiterung der beruflichen Qualifikation von Beschäftigten und auf die Vermittlung von Kenntnissen über gesellschaftliche Zusammenhänge. Darüber hinaus kann Bildungsurlaub für Schulungen genutzt werden, die sich auf die Wahrnehmung von Ehrenämtern beziehen. Einen Anspruch auf Bildungsurlaub haben nach dem HBUG alle schwerpunktmäßig in Hessen beschäftigten Arbeitnehmer*innen, Auszubildenden, in Heimarbeit tätigen Personen sowie bestimmte arbeitnehmerähnliche Personen, die wirtschaftlich von ihren Auftraggebern abhängig sind. Voraussetzung ist, dass die entsprechenden Vertragsverhältnisse mindestens sechs Monate bestehen. Beamt*innen haben keinen Anspruch auf Bildungsurlaub.

Arbeitgeber sehen Bildungsurlaub oftmals als zusätzlichen Kostenfaktor, weil sie während der Teilnahme an Bildungsveranstaltungen das Gehalt weiterzahlen müssen. Dem gegenüber steht, dass Bildungsmaßnahmen auch für Arbeitgeber Vorteile haben, etwa die Verbesserung von beruflich benötigten Sprachkenntnissen der Mitarbeitenden. Prof. Wedde verweist bezüglich der Kosten darauf, dass sich zumindest kleinere Betriebe (mit in der Regel bis zu 20 Beschäftigten) per Antrag die Hälfte der Gehaltskosten erstatten lassen können.

Nur Angebote anerkannter Träger nutzen

Zum möglichen Arbeitgeber-Verdacht, dass bei manchen Angeboten der Freizeitwert im Vordergrund steht, merkt der Jurist an: „Natürlich gibt es Veranstaltungen an landschaftlich reizvollen Orten oder in interessanten Ländern. Aber Weiterbildung darf durchaus Spaß machen. Das gilt insbesondere für Sprachkurse, die im Ausland stattfinden.“ Die inhaltliche Qualität von Veranstaltungen wird laut Wedde dadurch sichergestellt, dass diese nach dem HBUG nur von staatlich anerkannten Trägern angeboten werden dürfen. Und diese müssen die einzelnen Veranstaltungen ebenfalls anerkennen lassen. Um diese Anerkennung zu erhalten, müssen den staatlichen Genehmigungsbehörden ausführliche Programme vorgelegt werden, die Zielgruppen, Lernziele, Lerninhalte sowie die Zeitplanung der Veranstaltung benennen. Reine „Spaßveranstaltungen“ werden von den zuständigen staatlichen Stellen regelmäßig nicht als Bildungsurlaub anerkannt.“

Allen, gerade auch den besonders skeptischen Arbeitgebern rät Prof. Wedde, ihre Auffassung zum Bildungsurlaub zu überdenken: „Eine aktive Förderung der individuellen Weiterbildung von Beschäftigten erhöht die Bindung an die Betriebe. Bezogen auf Bildungsurlaub kann hierzu auch die finanzielle Unterstützung für die Teilnahme an Veranstaltungen gehören, die sich mit betrieblichen Themen befassen.“

Rechtzeitiger Antrag ist wichtig

Die formalen Voraussetzungen für die individuelle Beantragung von Bildungsurlaub sind überschaubar. Wichtig ist ein rechtzeitiger Antrag: Beschäftigte müssen ihren Arbeitgebern Freistellungswünsche für Bildungsurlaub mindestens sechs Wochen vor Beginn der geplanten Veranstaltung schriftlich mitteilen und eine Anmeldebestätigung, den Nachweis über die Anerkennung der Bildungsveranstaltung, das ausführliche Programm und einen Zeitplan beifügen.

Liegen Arbeitgebern diese Unterlagen vor, können sie eine Freistellung nur verweigern, wenn der Abwesenheit von Beschäftigten dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstehen. Dies können beispielsweise gerade erfolgte überraschende Kündigungen im Tätigkeitsbereich der Antragssteller*innen sein, die akut zu einem massiven Personalmangel führen. Weiterhin können Arbeitgeber Freistellungen für Bildungsurlaub ablehnen, wenn im laufenden Kalenderjahr bereits mehr als ein Drittel der Belegschaft Bildungsurlaub genommen hat. „Angesichts der bundesweiten Teilnahmequote an Bildungsurlauben von rund 3,5 Prozent ist dies wohl eher ein theoretischer Ablehnungsgrund“, merkt Wedde an.

Fazit: Wer Bildungsurlaub formal richtig beantragt, der kann ihn in der Regel auch wie geplant durchführen. Prof. Weddes Rat zum neuen Jahr: „Beschäftigte sollten die für Bildungsurlaub zur Verfügung stehende Zeit nutzen, um ihre persönliche und berufliche Qualifikation zu verbessern und um neue Themen für sich zu erschließen.“

Zur Person:

Prof. Dr. Peter Wedde war bis zum Sommersemester 2021 Professor für Arbeitsrecht und Recht der Informationsgesellschaft an der Frankfurt UAS. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören das individuelle und kollektive Arbeitsrecht sowie Daten- und Beschäftigtendatenschutz. Er ist Herausgeber von juristischen Fachkommentaren zum gesamten Individualarbeitsrecht, zum Betriebsverfassungs- und zum Datenschutzrecht sowie Autor zahlreicher Buch- und Zeitschriftenbeiträge und Onlinepublikationen. Als Referent vertritt er seine Schwerpunktthemen regelmäßig auf Fachkonferenzen und in Praxisforen.

Kontakt:

Frankfurt University of Applied Sciences

Fachbereich 2: Informatik und Ingenieurwissenschaften

Prof. Dr. Peter Wedde, Telefon: +49 171 3802499, wedde(at)fb2.fra-uas.remove-this.de

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letzte Änderung: 23.11.2023