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Nachberichterstattung digital future dialogue 2023

Geschäftsautomatisierung durch digitale Innovationen als Treiber der digitalen Transformation

In den letzten Jahren ist der Automatisierungsgrad im Unternehmenskontext rasant gestiegen. Immer mehr Abläufe lassen sich komplett ohne manuelle Eingriffe abbilden, beispielsweise in Form von smarten Mobilitätslösungen, automatisierten Versicherungsmanagern oder digitalen Vermögensverwaltern. Wo Chancen durch digitale Innovationen entstehen, gibt es häufig auch Fragezeichen. Wie genau funktioniert die Automatisierung von Geschäftsabläufen? Lassen sich alle Prozesse vollständig automatisieren? Was sind Best Practices für die weitgehende Automatisierung von ganzen Geschäftsmodellen? Welche digitalen Innovationen spielen in diesem Kontext eine besondere Rolle?

Um diese und viele weitere spannende Fragen zu diskutieren, trafen sich zahlreiche IT-Führungskräfte, Digitalisierungsverantwortliche und angewandte Wissenschaftler*innnen Mitte März auf dem digital future dialogue 2023 an der Frankfurt University of Applied Sciences.

Prof. Dr. Susanne Rägle eröffnete die Veranstaltung im House of Science and Transfer (HosT) als Vizepräsidentin für Forschung, Weiterbildung und Transfer an der Frankfurt University of Applied Sciences. In ihrer Eröffnungsrede stellte sie das HoST als Ort für interdisziplinäre Forschung, Weiterbildung und Transferaktivitäten vor. So haben beispielsweise die Themenschwerpunkte Künstliche Intelligenz sowie Unternehmensgründungen in den Räumlichkeiten eine Heimat bekommen. Außerdem charakterisierte sie das dort ansässigen Research Lab for Digital Innovation & Transformation (ditlab) als Top-Forschungseinrichtung im Bereich Wirtschaftsinformatik und integralen Bestandteil der umfangreichen Forschungsaktivitäten der Hochschule. Seit Oktober 2021 hat sich das ditlab zum Ziel gesetzt, mit praxisnahen Forschungsergebnissen, Unternehmen bei der Herausforderung, strategische Entscheidungen bezüglich des rechtzeitigen Einsatzes von disruptiven Technologien zu treffen, zu unterstützen.

Prof. Dr. Nils Urbach, Direktor des ditlab, machte den Schwenk hin zum Fokusthema der Veranstaltung mit einem Impulsvortrag über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Geschäftsautomatisierung. In diesem Kontext stellt er das Internet of Things, Künstliche Intelligenz und Blockchain als die derzeit zentralen technologischen Treiber dar, die das Fundament einer sich entwickelnden Machine Economy darstellen könnten. Darüber hinaus führte er die Teilnehmer durch den Rest des Tages.

Als erster eingeladener Speaker berichtete Dr. Marco Adelt über die digitale Zeitenwende in der Versicherungswirtschaft. In seinem Vortrag kritisierte der Co-Founder und Vorstand vom Online-Versicherungsmanager CLARK zunächst den Digitalstandort Deutschland: „Digitalisierung findet in Deutschland so gut wie nicht statt. Wir müssen aufpassen, das Rennen nicht vollständig zu verlieren.“ Anschließend gab er tiefe Einblicke in den Aufbau des von ihm gegründeten Unicorns. Anderen Gründern gab er mit auf den Weg, sich zunächst intensiv mit dem jeweiligen Markt auseinanderzusetzen und den Fokus nicht nur auf das eigene Produkt zu setzen. Zudem empfahl er: „Startet manuell! Wir probieren unsere Prozesse erst manuell aus, bevor wir automatisieren.“

Zentrales Thema des Vortrags von Prof. Dr. Alexander Benlian war das Themenfeld algorithmisches Management. Darunter versteht man das automatisierte Management auf Basis großer Datenmengen, welches als Phänomen immer stärker auch in traditionellen Unternehmen Einzug erhalten hat. Das Ausmaß des Phänomens skizzierte Prof. Benlian am Unternehmen Uber, dem es gelungen ist, über 7 Milliarden Rides zu vermitteln, ohne dass die über 3,5 Millionen Fahrer*innen jemals persönlichen Kontakt zu einer oder einem Vorgesetzten des Unternehmens gehabt haben, sondern durch einen Algorithmus gesteuert wurden. Dem enormen Potenzial gegenüber stünden Risiken für die Fahrer*innnen wie Autonomieverlust, eine zu enge Überwachung und das Risiko der Ausbeutung. Daher betonte Prof. Benlian die Notwendigkeit von Richtlinien zum verantwortungsvollen Design von algorithmischen Management-Systemen. Als Professor für Information Systems & E-Services an der TU Darmstadt forscht er intensiv in diesem Bereich.

Den Einsatz von Robo-Advisor-Technologie für die Geschäftsprozessoptimierung der Anlageberatung in der Filiale und im Service Center demonstrierte Prof. Dr. Olaf Zeitnitz. Der Chief Visionary Officer von Visual Vest und Professor für Digital Finance an der SRH Mobile University gab dabei interessante Einblicke in die beeindruckende Erfolgsgeschichte des Online-Vermögensverwalters. Gleichzeitig betonte er, dass Robo Avisory keine „Rocket Science“ sei, die weder aus technologischer noch finanzproduktbezogener Sicht durch besondere Innovation besteche.

Als Wissenschaftlicher Leiter am Institutsteil Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT beschäftigt sich Prof. Dr. Maximilian Röglinger in seiner Forschung intensiv mit dem Themenfeld der Prozessautomatisierung. In seinem Vortrag gab der Professor für Wirtschaftsinformatik und Wertorientiertes Prozessmanagement einen Einblick in das Thema Hyperautomation. Hinter dem Begriff verbirgt sich der Ansatz, Geschäftsprozesse mit Hilfe von Data Science und KI sowie von Prozesstechnologien zu automatisieren. Dieser kombinierte Technologie-Einsatz wird als Process Mining bezeichnet. Prof. Dr. Röglinger berichtet, dass der Einsatz von Process Mining nicht trivial sei, weshalb das Fraunhofer Center for Process Intelligence ins Leben gerufen wurde, welches Unternehmen dabei unterstützt, das volle Potenzial der Prozessautomatisierung zu heben.

Motiviert durch die Anforderung an den Verkehrssektor, die Emissionen bis zum Jahr 2030 um mehr als die Hälfe reduzieren zu müssen, arbeitet Dr. Michael Barillère-Scholz an der Neugestaltung des ÖPNV. Als zentralen Veränderungspunkt skizzierte der Co-Founder & CEO von Mobilitätsplattformanbieter ioki im abschließenden Vortrag des Tages einen Wandel des ÖPNV weg von einer Angebots- hin zu einer Nutzerzentrierung. Ein digitaler nutzerzentrierter ÖPNV hat das Potenzial, die Bedürfnisse der Kunden vollständig zu erfüllen und sei damit zu anderen Mobilitätsformen wettbewerbsfähig. Beim Wandel solle vor allem der ländliche Raum nicht unbeachtet bleiben. Eine Auswertung hat gezeigt, dass sich neue Mobilitätsangebote heute noch zu oft in Städten wiederfinden, weshalb im ländlichen Raum das Auto noch immer eine deutlich größere Rolle spiele.

Zentrale Erkenntnisse

Aus den sechs Vorträgen und einer angeregten Diskussion unter den Teilnehmenden bleiben die folgenden zentralen Erkenntnisse:

  1. Zur Geschäftsautomatisierung und damit zu einer gelungenen digitalen Transformation braucht es keinen übermäßigen Einsatz von Cutting-Edge-Technologien. Insbesondere in etablierten Branchen lassen sich viele Prozesse, beispielsweise Kundenberatungsprozesse, mithilfe einfacher Onlinefragestrecken digital gestalten und durch entsprechende hinterlegte Regeln automatisieren. Es herrschte große Einigkeit, dass die Möglichkeiten digitaler Technologien vor dem Hintergrund des gegenwärtig rasanten technologischen Wandels sicherlich nicht der limitierende Faktor sind.
  2. Die Möglichkeiten zum Technologieeinsatz sind nicht nur von finanziellen Mitteln oder technischen Fähigkeiten, sondern oftmals auch von der Verfügbarkeit geeigneter Daten abhängig. Sollen für die Transformation eines Geschäftsvorgangs emergente Digitaltechnologien eingesetzt werden, scheitert deren Einsatz nicht selten an der Verfügbarkeit großer Datenmengen, welche beispielsweise für das Training eigener KI-Modelle benötigt werden.
  3. Grundsätzlich kann nahezu alles im Unternehmen automatisiert werden. Die entscheidende Frage hierbei ist vor allem, ob eine Automatisierung auch betriebswirtschaftlich sinnvoll ist. Dies ist aktuell in vielen Bereichen nicht der Fall. Vor dem Hintergrund des immer stärker werdenden Fachkräftemangels wird eine weitere Automatisierung aber vermutlich unumgänglich sein.
  4. Das Management von Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen wird vermehrt durch Algorithmen geprägt sein. Um Mitarbeitende vor den möglichen negativen Auswirkungen, wie beispielsweise einer zu starken Kontrolle der eigenen Arbeitsleistung, zu schützen, braucht es Ansätze für verantwortungsbewusstes algorithmisches Management. Hierzu hat sich kürzlich ein bewegtes Forschungsfeld entwickelt.
  5. „Hybride Partnerschaften“ zur Umsetzung von Innovationsideen zwischen Start-ups und etablierten Unternehmen können großen Erfolg für beide Seiten versprechen. Auf diese Weise können bestmöglich die komplementären Eigenschaften beider Parteien eingebracht werden und so die digitale Transformation gelingen.

Die Erstauflage des digital future dialogue bot einen inspirierenden Startpunkt für den interdisziplinären Austausch von Wissenschaft und Praxis zu den aktuellen und zukünftigen Entwicklungen des Digital Business. Dieser soll mit weiteren Veranstaltungen vertieft werden mit dem Ziel, mit dem digital future dialogue eine Plattform zur aktiven Gestaltung der digitalen Zukunft zu schaffen.

 

 

Kontakte

Prof. Dr.
Nils Urbach
Professor für Wirtschaftsinformatik, insbesondere Digital Business und Mobilität
Gebäude HoST, Raum B 03 316
M.Sc.
Alexander Rex
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Gebäude HoST, Raum 3. OG
Prof. Dr. Nils UrbachID: 12355
letzte Änderung: 09.05.2023