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Auftaktveranstaltung der neuen Gesprächsreihe "EUROPA 2030 - Visionen und Wirklichkeit" mit Dr. Wolfgang Schäuble

Am 15. Juni 2021diskutierte Dr. Wolfgang Schäuble, Präsident des Deutschen Bundestages, im Live Stream des Center for Applied European Studies (CAES) mit dem Geschäftsführenden Direktor des CAES Prof. Dr. Dr. Michel Friedman über seine Erfahrungen, Analysen und Visionen von Europas Zukunft in der neuen Veranstaltungsreihe „Europa 2030 – Visionen und Wirklichkeiten“.

Der Präsident der Frankfurt UAS Prof. Dr. Frank Dievernich äußerte in seinem Grußwort sein Interesse daran, von Schäuble, der sich sehr engagiert für das Thema Europa und die europäische Einigung einsetze, zu erfahren, wie er seinen Blick auf die Zukunft Europas in Verbindung bringe mit den bestehenden Wirklichkeiten.

Der Geschäftsführende Direktor des CAES Prof. Dr. Dr. Michel Friedman bezeichnete Schäuble in seiner Begrüßung als einen der profiliertesten, erfahrensten und klügsten Politiker Deutschlands, der interdisziplinär die komplexesten Fragen der Politik gestalte. Unsere Gegenwart sei die Verhandlungszeit, um die Zukunft zu gestalten und auch wenn einige behaupten, wir seien schon hinter der Zeit, könne man dies noch aufholen.

Dr. Wolfgang Schäuble zeigte in seinem Eingangsstatement am Beispiel der Erfahrungen während der Pandemie auf, dass viele Herausforderungen nicht als Nationalstaat alleine zu meistern seien. So ziele die europäische Einigung auf ein effizientes, gemeinsames Handeln ab. „Europa kann etwas neues, eine neue Ebene von Politik (sein) und die eigentliche Aufgabe ist, immer wieder […] zu entscheiden, auf welcher Ebene wir welche politischen Probleme zu lösen versuchen.“

„Die eigentliche Aufgabe Europas ist ja, in dieser Welt, die vom Klimawandel bis zu den sicherheitsmäßigen Bedrohungen, den terroristischen Herausforderungen und den Veränderungen durch die Digitalisierung so unendlich zusammenhängt – in dieser Welt das, was wir in Europa glauben, dass es richtig ist für das friedliche, freiheitliche, die Würde jedes Menschen respektierende Zusammenleben ist, (zu vertreten). Das was wir dafür brauchen, das sind unsere Werte, das können wir nur gemeinsam und am besten in enger Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika durchsetzen.“ Dafür müsse Europa effizienter werden. Schäuble plädierte aus diesem Grund den nächsten Schritt in Richtung einer Wirtschafts- und Finanzunion zu gehen. Auch bezüglich Afrikas sei in Anbetracht der Verantwortung, die Europa in seiner kolonialen Vergangenheit auf sich geladen habe, mehr europäische Effizienz zu leisten und stabilisierend tätig zu sein.

Menschen in Europa seien davon zu überzeugen, dass „Europa für jeden einzelnen von uns […] ein Ergebnis erzielen kann, das kein Mitgliedsstaat alleine leisten kann.“ Diese Überzeugungsarbeit könne Schritt für Schritt gelingen. „Wir haben so unglaublich viele Aufgaben in Europa, dass wir keine Zeit haben, Europaskepsis zuzulassen, sondern müssen mit aller Kraft daran arbeiten, diese Aufgaben zu lösen.“

Am Beispiel der Flüchtlingskrise machte Schäuble deutlich, dass Europa nicht alle Menschen, die auf der Welt hungern, aufnehmen könne, ohne Europa unfähig zu machen. Deshalb habe Politik immer auch moralische Kosten. „Davon müssen wir auch einen größeren Teil tragen. Wenn wir das aber in der Überzeugung tun, das beste in unserem Wissen und Gewissen für die Zukunft zu machen und auf der Grundlage unseres europäischen Werteverständnisses, dann kann Europa […] einen großen Beitrag für die Welt im 21. Jahrhundert leisten und das sollten wir versuchen.“

Hinsichtlich der im darauffolgenden Gespräch von Friedman thematisierten Europaskepsis von Regierungen innerhalb der EU legte Schäuble dar: „(Es) fängt damit an, dass wir uns auch gegenseitig respektieren. […] Wir brauchen Respekt für andere, die eine andere Geschichte, andere Kultur, andere Erfahrungen haben. Bevor wir ihnen nicht auf gleicher Augenhöhe und mit Respekt begegnen, können wir überhaupt nicht darüber reden, wie wir in Europa da vorankommen. […] Wer sind wir eigentlich, dass wir diese Länder lehren wollen, wie Freiheit, auch Mut zur Freiheit, geht!?“ Man solle, „versuchen zu verstehen: Warum denken die anders? Und dann aus deren Perspektive uns betrachten. […] Wenn man aus deren Perspektive uns betrachten würde, stünden wir nicht ganz so glänzend da, wie wir gerne gesehen werden möchten.“ Mit dieser Grundeinstellung könne vieles besser gemacht werden. Trotzdem geben es europäische Vereinbarungen und Werte, über deren Einhaltung die Kommission wacht und notfalls müsse ein Mitgliedsstaat vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt werden.

Im Hinblick auf Russland rief Schäuble Europa dazu auf, „zu einem gemeinsamen Verständnis über unsere Beziehungen zu Russland (zu) kommen“ und sprach sich für eine Zusammenarbeit aus. Dabei sei aber auf Polen und die baltischen Staaten zu hören. Nach dem Ende des Kalten Kriegs wäre der Westen besser daran gewesen, Russland stärker mit der NATO zusammenzubringen.

Schäuble befürwortete in Richtung einer europäischen Verteidigungsunion zu gehen, die aber Teil der NATO bleiben müsse. Ein Verzicht auf Nuklearwaffen sei richtig, aber dann müsste Europa in Libyen oder Syrien eine stärker stabilisierende Rolle übernehmen – „nicht nur mit Geld und mit Aufbauhilfen […], sondern auch mit starken Kräften, die sichern, dass der Waffenstillstand gesichert bleibt.“

Als Friedman die Beziehungen zu China ansprach, verlautete Schäuble, dass die chinesische Kultur, Geschichte und Wirtschaftsleistung zu respektieren sei, „aber wir erwarten bitte schon, dass sie genauso Respekt vor dem haben, was wir an universellen Rechten ­– in der Charta der Vereinten Nationen […] –  vereinbart haben. Und wenn wir respektieren, dass ihr nach euren Vorstellungen etwas entwickelt, dann müsst ihr schon akzeptieren, dass es nach dem Prinzip der Reziprozität geht und da lassen wir uns auch nicht durch ökonomische Interessen davon abhalten.“ Schäuble kritisierte die reine Abhängigkeit vom chinesischen Markt, so dass Europa China vermitteln solle: „Wir wollen mit euch zusammenarbeiten, aber wir sind nicht davon abhängig.“

Die Fragen aus dem Youtube-Chat richteten sich auf die Verbesserung der Zustände in Flüchtlingslagern, EU-Treuhandschaften und Finanztransaktionen. Zum Europatag 9. Mai 2022 wünsche sich Schäuble, „dass die EU zurückblickt auf ein Jahrzehnt, in dem sie einen großen Beitrag geleistet hat, um in der Welt nach der Pandemie stärker ihrer Verantwortung gerecht zu werden für mehr Menschenrechte, für mehr Stabilität, für mehr ökologische Nachhaltigkeit und für mehr sozialen Ausgleich und Gerechtigkeit.“ Europa müsse vermitteln, dass es bereit sei, „zusammen mit anderen, Europa zu stärken.“ Dabei solle es auch offen für solche sein, die später Mitglied der EU werden wollen. „Je mehr Europa Erfolge hat […], dann wird Europa damit, nicht nur in Deutschland, ein hohes Maß an Ansehen gewinnen […] und so gewinnt über die Erfüllung seiner Aufgaben Europa an Zustimmung. […] Dazu braucht Europa eine Vorbildfunktion […] und dafür muss Europa einen stärkeren Beitrag leisten.“

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letzte Änderung: 21.07.2021