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Vortragsreihe "Think Europe – Europe thinks": Europäisch-chinesische Beziehungen: Kooperation oder Konfrontation?

Am 19. November 2021 diskutierten Prof. Dr. Thomas Heberer, Seniorprofessor für Politik und Gesellschaft Chinas, Universität Duisburg-Essen,und Reinhard Hans Bütikofer, MdEP, außenpolitischer Sprecher und Koordinator der Grünen/EFA, im Audimax der Frankfurt UAS zusammen mit dem Geschäftsführenden Direktor des CAES Prof. Dr. Dr. Michel Friedman zum Thema „Europäisch-chinesische Beziehungen: Kooperation oder Konfrontation?“ in der Reihe „Think Europe – Europe thinks“. Die Veranstaltung konnte parallel im Live Stream des Center for Applied European Studies (CAES) verfolgt werden.

Der Präsident der Frankfurt UAS Prof. Dr. Frank Dievernich verdeutlichte in seinem Grußwort das angespannte europäisch-chinesische Verhältnis und stellte u. a. die Frage: „Muss die EU also in dieser Atmosphäre einen erneuten, vielleicht anders gefärbten, Kalten Krieg befürchten?“

Der Geschäftsführende Direktor des CAES Prof. Dr. Dr. Michel Friedman thematisierte in seiner Begrüßung u. a. globale Maßstäbe der Menschenrechte und warf die Frage auf, wie es mit einem Land weitergehen solle, das „eines der aggressivsten, imperialistischsten und mittlerweile kolonialistischsten politischen Konzepte der Gegenwart verfolgt?“

 

Prof. Dr. Thomas Heberer erläuterte in seinem Vortrag, dass China die umfassende Modernisierung des Landes unter Zurückweisung westlicher Demokratisierungsvorstellungen verfolge, was den Westen nun enttäusche. „Zweifellos hat ein so riesiges Land […] ein Recht auf Aufstieg, ein Recht auf Führerschaft in Hochtechnologien und auf die Mitgestaltung der Weltordnung.“

Heberer empfahl die europäische Kooperation mit China: „Zudem brauchen wir China – und das wissen wir alle – um die globalen Fragen der Gegenwart und der Zukunft zu meistern: Klimawandel, Pandemien, Proliferation, Umgang mit bewaffneten Konflikten usw. […] Weshalb sollte China immer tun, was wir von ihm erwarten und was unseren Interessen dient?“ In der europäischen China-Politik plädierte er für eine Fortsetzung des Merkel’schen Kurses: respektvoller Dialog auf Augenhöhe und „Suche nach Gemeinsamkeiten, statt nach Unterschieden“.

Abschließend vermittelte Heberer, dass eine Ausgrenzung Chinas die falsche Strategie wäre. Chinas Aufstieg zur Weltmacht sei unumkehrbar und eine Rückkehr an den Verhandlungstisch unabdingbar. Im Hinblick auf die Gestaltung der Weltordnung solle die EU zwischen den USA und China vermitteln. „Die EU sollte in diesem globalen Veränderungsprozess aktiver werden ohne eigene Werte und Vorstellungen aufzugeben.“ Heberer empfahl darüber hinaus, dass die EU China dabei unterstützen solle, globale Verantwortung zu übernehmen und ein moralisches Vorbild zu werden. Solange die EU aber nicht mit einer Stimme spreche, werde sie nicht als homogener Partner von China wahrgenommen.

Zu Beginn seines Vortrags ordnete Reinhard Hans Bütikofer dem europäisch-chinesischen Verhältnis eine systemische Rivalität zu. Er bezeichnete Xi Jinpings China als „nicht einfach ein autoritäres Land, sondern […] ein Land, das sich zum Teil zu einem Technototalitarismus entwickelt hat“. China ziele darauf ab, „die Regeln der internationalen Beziehungen auf den Kopf zu stellen“ mit dem Ziel einer „Peking-zentrierten Ordnung“. Bei der Betrachtung Chinas solle man realisieren, dass die Grundorientierung Chinas „all das, was unsere Werte ausmacht – Demokratie, Pressefreiheit, Konstitutionalismus, Zivilgesellschaft, historische Wahrheit – als feindliche Konzepte identifiziert“. Der fundamentale Gegensatz zwischen Demokratie und Autoritarismus sei unvereinbar. „Wir müssen uns dagegen wehren, dass China seinen Aufstieg verbindet mit einem nach innen totalitärem Anspruch, der zunehmend auch nach außen transportiert wird – mit einem […] imperialistischen, hegemonialen Anspruch.“

Die europäische China-Politik bewege sich weg vom Merkel’schen Kurs und sei im Hinblick auf China durch einen größeren Konsens charakterisiert. Bütikofer stimmte Heberer zu, dass das Ziel nicht eine Abkoppelung sein solle. „Wir müssen China als systemische Herausforderung ernst nehmen und damit reagieren, dass wir unsere eigene Perspektive als globale Perspektive und als wertegeleitete Alternative vorantreiben und für Partner weltweit, nicht nur für die Demokratien […], eine Alternative anbieten.“

Als Friedman in der anschließenden Diskussion die Begriffe des autoritären Staats und des Totalitarismus im Hinblick auf China zur Diskussion stellte, betonte Heberer, dass China, entgegen anderer autoritärer Systeme, den entscheidenden Beitrag geleistet habe, die ökonomische Situation seiner Bevölkerung enorm zu verbessern und die Armut in der Welt zu verringern. Darin sehe Heberer einen Beitrag zur Verbesserung der weltweiten Menschenrechte. Heberer äußerte seine Kritik daran, dass von den USA und der EU keine konstruktiven Beiträge für eine China-Strategie vorgelegt würden. Bidens Zusicherung, China während seiner Präsidentschaft nicht zur Weltmacht aufsteigen zu lassen, „erklärt sozusagen einem Land in einer gewissen Weise den Krieg, den Kalten Krieg.“ Gemäß Heberer müssten sowohl der amerikanische als auch der chinesische Präsident einen Minimalkonsens definieren. „Nur diese Kompromissbereitschaft sehe ich momentan bei beiden nicht.“ Laut Bütikofer solle das Prinzip des Multilateralismus Kern der europäischen China-Politik sein: Man solle weitgehend mit anderen Staaten, die eine ähnliche Interessenlage hätten, zusammenarbeiten und eine Vorstellung von einer ökologisch und ökonomisch fairen Zukunft entwickeln.

Die Publikumsfragen richteten sich u. a. auf den internen Abstimmungsbedarf des chinesischen Staats, die Menschenrechte, die China-Kompetenz in der EU, die Rolle der Medien im Kontext China und die zukünftige Zusammenarbeit der Weltmächte.

Friedman schloss die Diskussion u. a. mit dem Eindruck: „Man kann natürlich und muss über das reden, was diskussionsfähig ist – aber kann auf keinen Fall deswegen ignorieren, […] was es da an Konfliktpotential in dieser systemischen Unterschiedlichkeit der Betrachtung der Welt gibt.“

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letzte Änderung: 29.11.2021