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Wissenschaftliche Expertise: "Flüchtlinge und Suchtproblematik - Aktueller Stand"

Projektbeschreibung: 

Drogengebrauch, -missbrauch und -abhängigkeit sowie ihre gesundheitlich-sozialen Folgen sind wichtige Themen für die Gesundheitsförderung und Prävention in Deutschland. Die Auswirkungen von Drogenkonsum/-abhängigkeit auf die Gesundheit und Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Angehörigen, auf ihren Lebensunterhalt und ihre Teilhabe am sozialen Leben sind beträchtlich. Dies gilt in erheblichem Maße für Flüchtlinge, bei denen Drogenkonsum zudem zum Integrationshindernis werden kann.
Geflüchtete haben Erfahrungen gemacht – und machen diese noch immer –, die eigene Konsum- und Suchtrisiken bergen. Schon deshalb ist zu klären, in wieweit die bestehenden Instrumente der Prävention, Schadensminderung und Behandlung bei ihnen wirksam sind. Hinzu kommt, dass sprachliche, kulturelle und strukturelle Barrieren, nicht zuletzt die Unkenntnis über die geltenden Versorgungsstrukturen, die Geflüchteten vor zusätzliche Herausforderungen stellen. Zu einem ernsthaften Integrationshindernis kann neben der Sucht selbst das fehlende Wissen über die Rechtslage im Zusammenhang mit Suchtstoffen werden.
Bei Veranstaltungen der Drogenbeauftragten, der Länder und Kommunen wurden folgende Beobachtungen zusammengetragen:
• Der Konsum von Suchtmitteln unter Migranten/Flüchtlingen – legale wie illegale – ist einerseits Ausdruck des übergroßen Angebotes, der gesellschaftlichen "Akzeptanz" (insbesondere von Alkohol), andererseits oft eine Form der Selbstmedikation: Coping von psychischen Belastungen („Konsum kein Problem, sondern die Lösung des Problems“)
• Aus dem Konsum von Substanzen kann nicht immer gleich auf Abhängigkeit, sondern auf Substanzgebrauchsstörungen unterschiedlicher Schwere geschlossen werden, weswegen der Blick zunächst auf den Konsum und auf die Prävention gerichtet werden sollte, insbesondere muss Aufklärung über die Rechtslage und den Umgang mit und Wirkweise von Substanzen stattfinden.
• Risikofaktoren sind: junges Alter, männliches Geschlecht, kein soziales Netz, schlechter Zugang zu Bildungseinrichtungen. Die größten Probleme entstehen aber erst, wenn die Flüchtlinge in Deutschland sind und keine Perspektiven – keine Beschäftigung, keine Arbeit und ein Leben in Sammelunterkünften – haben.
• Opioidkonsumierende Flüchtlinge fallen zunehmend auf in der Drogenszene. In Substitutions-Ambulanzen werden auch Flüchtlinge mir einer Opioidabhängigkeit behandelt. Früher hatten die Patienten allerdings in der Regel bereits länger in Deutschland gelebt und waren besser integriert, sodass die Ausgangsbedingungen zur Behandlung besser waren. Heute ist die Behandlung von Flüchtlingen oft mit vielen Problemen verbunden, insbesondere wegen der Sprachschwierigkeiten und fehlenden Dolmetschern sowie mangelnder Finanzierungsmöglichkeiten der Behandlung.
• Es sind zahlreiche Risikofaktoren für einen problematischen Glücksspielkonsum vorhanden. Für Flüchtlinge sind Glücksspielhallen sehr attraktiv, insbesondere wegen der Langeweile und der hohen Verfügbarkeit. Spielhallen, Gaststätten mit legalen und illegalen Glücksspielangeboten sind ein Treffpunkt für viele Migranten. Diese Treffpunkte kenn sie aus ihrem Heimatland. Allerdings kann die Verfügbarkeit von Geldspielautomaten zu einem Konsumrisiko oder gar zur Spielabhängigkeit führen, Es gibt bereits verschiedene Initiativen zur Prävention – etwa von der „Landesstelle für Suchtfragen“ in Hessen oder des „Ethnomedizinischen Zentrums Hannover“ – aber noch keine abschließende Auswertung dieser Erfahrungen mit Präventionsarbeit unter Flüchtlingen.
• Es gibt keine strukturierten Zugänge zu ersten Hilfsmaßnahmen. Ein besonders großes Problem sind die vielen verschiedenen Sprachen und die fehlenden Übersetzer, sodass die Betroffenen kaum unterstützt werden können. Die Suchthilfe ist für Flüchtlinge daher nur sehr schwer zu erreichen und kann ihnen nur wenig helfen.

Die Zielsetzungen der Expertise bestehen in der Erstellung eines Überblicks über die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Behandlung von drogenabhängigen Flüchtlingen (Entgiftung, Rehabilitation, Substitutionsbehandlung). Dabei sollen die bisher gesammelten Erfahrungen (Prävention, Schadensbegrenzung / harm reduction, Behandlung und ihre Finanzierung unter Berücksichtigung von §§ 4,6 AsylbLG und die Bestimmungen des Ausländergesetzes) einbezogen werden. Das Projekt beinhaltet zudem das Erstellen eines Konzeptes/Programmentwurfes für einen Workshop zur Diskussion des Status Quo mit Flüchtlingen, BAMF und Suchthilfe für das Jahr 2018.

Projektleitung: Prof. Dr. Heino Stöver

Auftraggeber: Bundesministerium für Gesundheit

Laufzeit: 01.12.2017-30.04.2018

Budget: 19.428,69 €

Im WiSe 2021/22 startet der Master-Studiengang "Suchttherapie und Sozialmanagement in der Suchthilfe M.A." an der Frankfurt University of Applied Sciences.

E-learning on prison health are offered under: HarmReduction.eu

Der jährlich erscheinende "Alternative Drogen- und Suchtbericht" wird u.a. mit Mitarbeiter*innen des ISFF als mitverantwortliche Redakteur*innen erstellt. Unter  alternativer-drogenbericht.de können Sie die kompletten Berichte einsehen und herunterladen.
Aktuell ist der 9. Alternativer Drogen- und Suchtbericht 2022

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letzte Änderung: 03.01.2020